Tag Archiv für Queer

Die „Schwule Seite“ schließt – die Herausforderungen haben sich verändert

Die Schwule Seite existiert nun seit 17 Jahren. Sie hat alle zentralen Entwicklungen in einer schwulen (und teilweise auch lesbischen) Community kritisch begleitet und mitgestaltet. Nun wird damit Schluss sein, da sich die Herausforderungen deutlich verlagert haben. Schwule haben sich in der Gesellschaft eingerichtet – zu den Bedingungen der Heterosexuellen. Einige sind sogar stolz darauf, nun zu einem deutschen, nationalen „Wir“ dazuzugehören – und sich an rassistischen und antisemitischen Ausgrenzungspraktiken zu beteiligen. Hingegen kommen aus schwulen Kontexten nur noch in Ansätzen Forderungen, die vorhandene Gesellschaft emanzipatorisch umzugestalten.

Wir brauchen also neue Bündnisse, in denen sich diejenigen zusammenfinden, die an einer emanzipatorischen und toleranten Entwicklung der Gesellschaft interessiert sind, die gleichermaßen gegen rassistische und antisemitische sowie gegen zweigeschlechtlich-sexistische Diskriminierung und Gewalt streiten. Ohne diese Verknüpfung emanzipatorischer Kämpfe entsteht viel Mist. Es wird für die folgenden emanzipatorischen Kämpfe darum gehen, dass sie feministisch, queer, of Color sind. Koalitionen sind nötig und werden uns gemeinsam weiterbringen.

Zahlreiche Beiträge dieses Blogs haben schwule und queere Debatte in den letzten Jahren deutlich beeinflusst. Es kamen hier erste einführende Texte zu Queer, die zudem klare Verbindungslinien zu einer Kritik an Kapitalismus gezogen haben. Damit schlossen diese Beiträge an das frühe Streiten der Gay Liberation – geschlechtervariant, viele davon of Color – an, die Befreiung erst dann als umgesetzt erachteten, wenn Geschlecht und Kapitalismus gleichermaßen abgeschafft seien.

Sehr deutlich positionierte sich die Schwule Seite gegen Rassismus und Antisemitismus in der schwulen Community. Besonders lesenswert hierzu sind:

Zentral spielte auf diesem Blog auch der Blick auf „schwule Klassiker“ der Literatur und neue wichtige Bücher eine Rolle. Auch hier wurden in zahlreichen der Beiträge die Schnittmengen zwischen Geschlechterverhältnissen, Rassismus und Klassenverhältnissen benannt und auch im Hinblick auf das „Scharnier“ zwischen ihnen – die Sexualität – reflektiert. Zentrale Beiträge sind hier:

Mit den Parlamentsnotizen, verfasst von Ralf Buchterkirchen, gab die Seite stets einen Überblick über aktuelle parlamentarische und außerparlamentarische politische Enwticklungen. Ausgewählte weitere Beiträge, die sich einmischten sind:

Klar ist: Das politische Streiten hört selbstverständlich NICHT auf. Aber es braucht andere Foren als eine Seite, die als identitär verortet wahrgenommen wird und den Eindruck erweckt, es gäbe durch eine sexuelle Orientierung eine Einigkeit und gemeinsame Positionen unter allen oder auch nur einer Mehrheit von Schwulen. Das ist nicht der Fall. Lasst uns also für emanzipatorische Sichtweisen streiten, in denen „schwul“ Menschen mit ihren individuellen Erfahrungen einschließt und nicht selbst Ausschlüsse produziert.

Ich bedanke mich herzlich bei allen Beitragenden, die auf der Seite geschrieben haben, und explizit bei den Oldenburger „Rosigen Zeiten“, die oft der Erstveröffentlichungsort der Beiträge waren – und weiterhin lesenswert sind. Ich schreibe dort selbstverständlich auch weiterhin 🙂

…und alle Beiträge auf Schwule Seite bleiben hier dauerhaft archiviert erhalten.

Heinz

„Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven“ – Buch von Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß

PSY-Cetin-2549-v03.inddSehr gern weise ich auf das gerade erschienene Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven“ von Zülfukar Çetin und mir hin. Wir freuen uns auf Diskussionen und eure und Ihre Anmerkungen. Gern könntet ihr und könnten Sie ein Rezensionsexemplar bestellen – entweder direkt beim Verlag oder bei: Heinz-Jürgen Voß, voss_heinz@yahoo.de .

Deutlich wird im Band u.a., dass das Konzept „Homosexualität“ selbst von den emanzipatorisch Streitenden im Gegensatz zum „dem Sex ‚der Anderen'“ entwickelt wurde, also gegen den gleichgeschlechtlichen Sex z.B. in Süditalien und der Türkei. Von den historischen Betrachtungen wird der Bogen zu aktuellen rassistischen Debatten und Akteuren gespannt. Gleichzeitig wird analytisch hergeleitet, warum „schwul“ auf Schulhöfen ein oft abwertend genutzter Begriff ist, wenn er auch meist flachsend verwendet wird; es wird klar, warum das so bleiben muss, wenn nicht auch auf neue Konzepte zurückgegriffen wird …

Nun die detaillierten Informationen:

Zülfukar Çetin, Heinz-Jürgen Voß:
Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven

# Oktober 2016; 146 Seiten; 19,90 Euro
# ISSN: 2367-2420
# Psychosozial-Verlag, https://www.psychosozial-verlag.de
# Informationen zum Buch beim Verlag

# Klappentext:
Vorangetrieben von »Schwulen« selbst wurde seit dem 19. Jahrhundert das Konzept schwuler Identität durchgesetzt. Noch heute gelten »Sichtbarkeit« und »Identität« weithin als Schlüsselbegriffe politischer Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt. Jedoch wird aktuell immer deutlicher, dass auf diese Weise ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert. So werden beispielsweise Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen marginalisiert.

Die Autoren des vorliegenden Bandes hinterfragen die Gewissheit, dass eine einheitliche schwule Identität existiert, aus unterschiedlichen Perspektiven: bewegungsgeschichtlich, wissenschaftstheoretisch und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Homonationalismus und rassistische Gentrifizierung.

16. Juli 2016, Leipzig: Erste Einblicke in das neue Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität“

Passend zu dem am 16. Juli stattfindenden CSD in Leipzig gibt es bei der „Radical book fair“ (ab 16:30 Uhr, Veranstaltungsort) erste Einblicke in das neue Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität“, das aktuell im Druck ist und im Herbst im Gießener Psychosozial-Verlag erscheint. Das von Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß verfasste Buch wendet sich facettenreich und kritisch Politiken der Sichtbarkeit zu. Unten folgt der Klappentext – ausführlichere Passagen des Buches gibts in Leipzig. Vielen Dank an Salih Alexander Wolter für die tolle Unterstützung sowie das gemeinsame Nachdenken und Arbeiten!

Klappentext: Vorangetrieben von »Schwulen« selbst wurde seit dem 19. Jahrhundert das Konzept schwuler Identität durchgesetzt. Noch heute gelten »Sichtbarkeit« und »Identität« weithin als Schlüsselbegriffe politischer Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt. Jedoch wird aktuell immer deutlicher, dass auf diese Weise ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert. So werden beispielsweise Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen marginalisiert. Die Autoren des vorliegenden Bandes hinterfragen die Gewissheit, dass eine einheitliche schwule Identität existiert, aus unterschiedlichen Perspektiven: bewegungsgeschichtlich, wissenschaftstheoretisch und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Homonationalismus und rassistische Gentrifizierung.

Es schließt sich um 17:30 Uhr die Vorstellung des Sammelbandes „Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung: Praxisorientierte Zugänge“, herausgegeben von Michaela Katzer und Heinz-Jürgen Voß, an.

Klappentext: Selbstbestimmung geht über die Überwindung bzw. Abwesenheit von äußerem Zwang hinaus. Sie erfordert positives Bewusstsein über Möglichkeiten eigenen Handelns mit einem Spektrum von Anpassung bis Ausbruch. Geschlechtliche Selbstbestimmung schließt Abweichung, Veränderung und Deutungshoheit über körperliche Geschlechtsmerkmale ein.
Im vorliegenden Buch wird »Selbstbestimmung« im sexualwissenschaftlichen Diskurs aus akademischer und aktivistischer Perspektive betrachtet. Die Beiträge beleuchten Aspekte von Inter- und Transsexualität, Asexualität, Sexualität unter Haftbedingungen, im Kontext von Behinderung sowie außerhalb heterosexueller Paarbeziehungen. In ihrer Vielfalt sind die Beiträge Zeitzeugnis, geben zugleich einen Ausblick auf die Zukunft und tragen dazu bei, gängige Denkschablonen zu überwinden.
Mit Beiträgen von Anne Allex, Markus Bauer, Heike Bödeker, Jens Borchert, Diana Demiel, Andreas Hechler, Michaela Katzer, Torsten Klemm, Katja Krolzik-Matthei, Anja Kruber, Alina Mertens, Andrzej Profus, Nadine Schlag, Heino Stöver, Manuela Tillmanns, Daniela Truffer, Heinz-Jürgen Voß und Marlen Weller-Menzel

Queerfilm: Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Domstadtkino Merseburg (b. Leipzig und Halle), ab Februar 2015

Queerfilm_Merseburg_01Lesbische, schwule, queere Filme kommen ins Domstadtkino! Dabei werden einerseits Filme gezeigt, die kaum noch in Kinos zu sehen sind, wie etwa „Stadt der verlorenen Seelen“ von Rosa von Praunheim. Gleichzeitig kommen aktuelle Filme hinzu. Es gibt jeweils einen Doppelpack, der regional und überregional interessant ist. Durchgeführt wird die Reihe in Kooperation von Domstadtkino, Hochschule Merseburg und Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt.

Start der Filmreihe ist am 26. Februar mit den Filmen „Faustrecht der Freiheit“ (1974, Regie: Rainer Werner Fassbinder) und „Pride“ (2014, Regie: Matthew Warchus). Weiterlesen

Empfehlung: „Was ist Homosexualität?“

was_ist_homosexualitaetIch durfte heute schon, wie die anderen Autor_innen, einen Blick in die abschließende Druckfahne werfen und kann kurz vor Erscheinen sagen: Der Band „Was ist Homosexualität?“ ist sehr zu empfehlen! Autor_innen unterschiedlicher Disziplinen zeigen den Stand der Forschung auf – stets kritisch zur ‚Identitätskonzeption‘ der europäischen Moderne, in der geschlechtliche Handlungen klar kartiert wurden und ‚Homosexualität‘ als ‚Abweichung‘ von der Norm entworfen, besonders untersucht und verfolgt wurde. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Was ist Homosexualität? Forschungsgeschichte, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven

herausgegeben von Florian Mildenberger / Jennifer Evans / Rüdiger Lautmann / Jakob Pastötter

# Männerschwarm-Verlag
# gebunden, mit Schutzumschlag, ca. 576 Seiten, ca. 38,00 EUR (D)
# erscheint März 2014
# ISBN: 978-3-86300-163-6

Inhalt (teilsweise noch Arbeitstitel): Weiterlesen

Männlichkeiten und Militarismus „Menschen leben lieber bunt als soldatisch“

Ralf Buchterkirchen hat Queer.de ein sehr lesenswertes Interview zu Queer als Widerstand gegen das Militärische, als Widerstand gegen die Bundeswehr gegeben und erläutert die Hintergründe für sein Buch  „‚… und wenn sie mich an die Wand stellen‘ – Desertion, Wehrkraftzersetzung und ‚Kriegsverrat‘ von Soldaten in und aus Hannover 1933-1945“. Hier ein kleiner Ausschnitt – das vollständige Interview findet sich hier.

Du bist in der Friedensbewegung aktiv. Gibt es einen Zusammenhang mit deinem queeren Engagement?

Auf jeden Fall. Nicht umsonst waren Schwule nie im Militär wirklich willkommen – und sind sie es heute nur aus Imagegründen und aus militärstrategischen Interessen. Die aktuellen Kriege werden vordergründig mit Homosexuellen- und Frauenrechten begründet, die anderen Interessen vernebelt, so dass es für die Armee als notwendig erscheint, „emanzipatorisch“ und „schwulenfreundlich“ zu wirken. Gleichzeitig gilt weiterhin, dass Schwulsein in gewisser Weise die normativen Männlichkeitsbilder angreift. Ohne das Selbstverständnis von Soldaten als heroische Kämpfer und den erwarteten Rollenvorstellungen könnte Militär nicht funktionieren.

[…]

buchterkirchen_militaer_desertion_wehrkraftzersetzung_hannoverSpielt queer in deinem Buch eine Rolle?

Ja. Es ist quasi ein Gegenstück zu den festgefügten Männlichkeitsnormen. Queer beinhaltet Offenheit, wendet sich gegen militärische und sonstige staatliche Gewalt gegen Menschen. Queer waren die Kämpfe in der New Yorker Christopher-Street – gegen die Polizeigewalt. Und zentraler Angelpunkt damals war, dass sich die gegen die Polizeigewalt zur Wehr setzenden auch deutlich gegen klare Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen aussprachen.

Queer bietet also den Ansatz zum Hinterfragen und Angreifen von Norm. Aus dieser Sicht wende ich mich dem Thema Desertion zu. Ich arbeite gerade die individuellen Motive der Menschen heraus, die sich dem Gehorsam verweigerten. Es waren nicht einfach alle „politische Widerstandskämpfer“, sondern einige hatten einfach den Krieg satt, wollten zu ihren Familien, konnten das Töten nicht mehr sehen. Solch individuellen Motive kamen bisher in der Forschung zu kurz – ich halte sie für bedeutsam, auch deshalb, weil das Leben, das bunte Leben von Menschen diametral soldatischer Ordnung, Kriegsinteressen und dem Töten von Menschen entgegensteht. Ein Deserteur schrieb in einem Abschiedsbrief an seine Familie: „Das Leben hat das Recht.“ So ist es.

zum vollständigen Interview

Buch „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ – Reaktionen und Buchvorstellungen

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“Seit Werner Hinzpeters Schöne schwule Welt (1997) und Eike Stedefeldts Schwule Macht (1998) hat niemand mehr so konkret die Akteure der schwul-lesbischen Szene — wie etwa LSVD und Queer Nations — analysiert und kritisiert. Man darf gespannt sein, ob als Reaktion wieder nur beleidigte Abwehr kommt oder — man soll die Hoffnung nie aufgeben — ein Umdenken erfolgt.” …heißt es in der von Ulrike Kümel verfassten Rezension zum Buch „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ auf Queer.de. Im Forum und auf der Facebook-Seite der schwulen Online-Plattform schlossen sich sogleich intensive Diskussionen an.

Auch andernorts ist das der Fall. Nur einen Monat nach Erscheinen des Buches „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ wurde es bereits unter anderem bei maedchenmannschaft.net, die-andere-welt.de, auf freitag.de und verqueert.de und in der Zeitschrift „analyse und kritik“ besprochen: Die Wiener lesbisch-schwule Buchhandlung Löwenherz kündigt es wie folgt an: “Die spannende Frage, inwieweit erfolgreiche lesbisch-schwule Emanzipation mit dem neoliberalen Umbau der Weltwirtschaft Hand in Hand ging, untersuchen Heinz-Jürgen Voß und Salih Alexander Wolter in ihrem neuesten Buch. Eine anspruchsvolle Lektüre, heilsam in einem niveaulosen [österreichischen] Wahlkampf, auch wenn man nicht alle Standpunkte der Autoren teilt.”

Es ist also gute Debatte zu erwarten! Und dazu laden die Autoren ein: Eine ‚Tournee‘ an Buchvorstellungen findet ab diesem Freitag statt, mit Terminen in der Bundesrepublik, in Österreich und der Schweiz. Auftakt ist in der Literaturstadt Leipzig am 4. Oktober; es folgen Berlin (6.10.), Zürich (11.10.) und Wien (16.10.) und im November zahlreiche weitere Termine: 2.11. Braunschweig, 3.11. Nürnberg, 8.11. Bielefeld, 14.11. Bonn, 20.11. Hildesheim, 21.11. Potsdam, 4.12. Frankfurt/Main (detaillierte Informationen zu allen Terminen). Und alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

Buch NEU erschienen: “Queer und (Anti-)Kapitalismus”

voss_wolter_queer_anti_kapitalismusDas Buch “Queer und (Anti-) Kapitalismus” ist nun erschienen und kann ab sofort beim Verlag bestellt und bei jeder Buchhandlung bezogen werden!

Voß, Heinz-Jürgen / Wolter, Salih Alexander:
Queer und (Anti-)Kapitalismus
Schmetterling-Verlag
1. Auflage 2013 / 160 Seiten / 12,80 EUR
ISBN 3-89657-061-7

Klappentext:
Die ‹Erfolgsgeschichte› der bürgerlichen Homo-Emanzipation in den westlichen Industriestaaten während der letzten Jahrzehnte fällt mit der neoliberalen Transformation der Weltwirtschaft zusammen. Während vor allem weiße schwule Männer Freiheitsgewinne verbuchen, kommt es zu einem entsolidarisierenden Umbau der Gesellschaft, verbunden mit zunehmend rassistischen Politiken im Innern; zugleich dient der «Einsatz für Frauen- und Homorechte» als Begründung für militärische Interventionen im globalen Süden. Dabei waren es schon 1969 in der New Yorker Christopher Street «[S]chwarze und Drag Queens/Transgender of colour aus der Arbeiterklasse», die den Widerstand gegen heteronormative Ausgrenzung und Gewalt trugen und «sich in Abgrenzung zu weißen Mittelklasse-Schwulen und [-]Lesben ‹queer› nannten, lange bevor deren akademische Nachfahren sich diese Identität aneigneten» (Jin Haritaworn). Doch auch hierzulande sind es die queer People of Color, die aktivistisch wie theoretisch gesamtgesellschaftliche Perspektiven jenseits des gängigen Homonationalismus entwickeln.
Im Band betrachten wir die aktuell viel diskutierten Ansätze einer ‹queer-feministischen Ökonomiekritik› vor dem Hintergrund queerer Bewegungsgeschichte. Wir zeigen mögliche Verbindungen zum ‹westlichen Marxismus› Antonio Gramscis, zum postkolonialen Feminismus Gayatri Chakravorty Spivaks, zu den «Eine-Welt›»Konzepten von Immanuel Wallerstein und Samir Amin auf. Wegweisend ist für uns ein intersektionales Verständnis, wie es Schwarze Frauen und queere Migrant_innen in der Bundesrepublik bereits seit den 1980er Jahren erarbeitet haben. Uns interessiert in diesem Band, wie Geschlecht und Sexualität – stets verwoben mit Rassismus – im Kapitalismus bedeutsam sind, sogar dort erst aufkommen oder funktional werden. Theoretisch, historisch und immer mit Blick auf Praxis untersuchen wir die Veränderungen der Geschlechter- und sexuellen Verhältnisse der Menschen unter zeitlich konkreten kapitalistischen Bedingungen. Wem nützen die geschlechtlichen und sexuellen Zurichtungen der Menschen im Kapitalismus, und was lässt sich aus den historischen und aktuellen Kämpfen für queere Kapitalismuskritik lernen?

Bundestagswahl 2013: Die Wahlprogramme der Parteien zu Lesben, Schwulen, Trans* und Inters*

bundestagswahl_2013Ralf Buchterkirchen hat sich für die Rosigen Zeiten (September 2013) die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl genau angesehen und bietet nun schon vorab auf der Homepage verqueert.de einen guten Überblick und eine Hilfe für die Wahlentscheidung. Von welcher der Parteien ist was zu erwarten? Hier kannst du es lesen.

In einem vorangegangenen Beitrag hat sich Ralf Buchterkirchen bereits das angesehen, was in der vergangenen Legislatur geschehen ist. Auch das ist nachlesbar – hier.

BEITRAG „Vier Jahre große Koalition aus queerer Perspektive“

Nach vier Jahren großer Koalition aus CDU und SPD ging im Herbst 2009 eine neue Regierung, diesmal aus CDU, CSU und FDP bestehend, an den Start. Im Folgenden soll untersucht werden, was sich in den letzten vier Jahren auf Bundestagsebene für Lesben, Schwule, Trans* und intergeschlechtliche Menschen getan hat und wie die entsprechenden Wahlprogramme  umgesetzt wurden. In einem zweiten Teil – in der nächsten Ausgabe der Rosigen Zeiten – werden dann die Wahlprogramme für die kommende Bundestagswahl am 22.September diskutiert.

In ihrem 2009er Wahlprogramm hat die CDU explizit eine Gleichstellung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft (ELP) ausgeschlossen. Der kleine Regierungspartner FDP (welcher überraschend 14,6% erhielt und damit fast halb so viele Stimmen wie seine Koalitionspartnerin) forderte dagegen eine Gleichstellung von Ehe und Eingetragener Lebenspartnerschaft, ein neues Transsexuellengesetz und eine Stiftung, die sich gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen wendet.

Im Koalitionsvertrag hatte sich scheinbar die FDP weitgehend durchgesetzt: Auf Seite 4 heißt es: „Wir werden insbesondere (…..) gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehegatten umsetzen“. Weiter auf Seite 103: „Wir wollen die Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten von Eingetragenen Lebenspartnerschaften verbessern. Dazu werden wir die familien- und ehebezogenen Regelungen über Besoldung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartnerschaften übertragen.“ Zudem solle, so der gemeinsame Beschluss der Koalition, das Transsexuellengesetz (TSG) aktualisiert und auf eine zeitgemäße Grundlage gestellt werden. Zur Außenpolitik hieß es: „Wir wenden uns auch in unseren auswärtigen Beziehungen gegen jegliche Benachteiligung aufgrund von Religion, ethnischer Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung.“ Für dieses Ergebnis wurde die FDP vom LSVD (Lesben- und Schwulenverband Deutschlands) frenetisch gelobt. weiter auf verqueert.de

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Parlamentsnotizen 5
Parlamentsnotizen 6
Landtagswahl in Niedersachsen (2013)
Buch „…und wenn sie mich an die Wand stellen…“