Die Schwule Seite existiert nun seit 17 Jahren. Sie hat alle zentralen Entwicklungen in einer schwulen (und teilweise auch lesbischen) Community kritisch begleitet und mitgestaltet. Nun wird damit Schluss sein, da sich die Herausforderungen deutlich verlagert haben. Schwule haben sich in der Gesellschaft eingerichtet – zu den Bedingungen der Heterosexuellen. Einige sind sogar stolz darauf, nun zu einem deutschen, nationalen „Wir“ dazuzugehören – und sich an rassistischen und antisemitischen Ausgrenzungspraktiken zu beteiligen. Hingegen kommen aus schwulen Kontexten nur noch in Ansätzen Forderungen, die vorhandene Gesellschaft emanzipatorisch umzugestalten.
Wir brauchen also neue Bündnisse, in denen sich diejenigen zusammenfinden, die an einer emanzipatorischen und toleranten Entwicklung der Gesellschaft interessiert sind, die gleichermaßen gegen rassistische und antisemitische sowie gegen zweigeschlechtlich-sexistische Diskriminierung und Gewalt streiten. Ohne diese Verknüpfung emanzipatorischer Kämpfe entsteht viel Mist. Es wird für die folgenden emanzipatorischen Kämpfe darum gehen, dass sie feministisch, queer, of Color sind. Koalitionen sind nötig und werden uns gemeinsam weiterbringen.
Zahlreiche Beiträge dieses Blogs haben schwule und queere Debatte in den letzten Jahren deutlich beeinflusst. Es kamen hier erste einführende Texte zu Queer, die zudem klare Verbindungslinien zu einer Kritik an Kapitalismus gezogen haben. Damit schlossen diese Beiträge an das frühe Streiten der Gay Liberation – geschlechtervariant, viele davon of Color – an, die Befreiung erst dann als umgesetzt erachteten, wenn Geschlecht und Kapitalismus gleichermaßen abgeschafft seien.
- 2004: Queer zwischen kritischer Theorie und Praxisrelevanz;
- 2007: Die Rückkehr der Geschlechterbinarität – und ein wirksames Gegengift: selber Denken;
- 2010: Queerfeministische Ökonomiekritik? Eine Randnotiz zum Ende des Kapitalismus (von Salih Alexander Wolter);
- 2011: Weg mit dem Queer-Ding! Ansätze für eine queere Kapitalismuskritik;
- 2011: Geschlecht und kapitalistische Produktionsweise, Queer und Antikapitalismus – Skizzen für neue Perspektiven;
Sehr deutlich positionierte sich die Schwule Seite gegen Rassismus und Antisemitismus in der schwulen Community. Besonders lesenswert hierzu sind:
- 2007: Maneo: Opfertelefon auf Feindbildsuche (von Ralf Buchterkirchen);
- 2007: Gay Nationality? – oder: Patrioten sind Idioten, auch wenn sie lesbisch oder schwul sind!;
- 2008: Georg Klauda: “Die Vertreibung aus dem Serail. Europa und die Heteronornmalisierung der islamischen Welt” (von Salih Alexander Wolter)
- 2010: Die Komplizenschaft verweigern (von Salih Alexander Wolter);
- 2010: Berliner CSD – Judith Butler kritisiert schwul-lesbischen Rassismus und fordert zu gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Homophobie auf (von Ralf Buchterkirchen);
- 2010: Homophobe und rassistische Diskriminierungen – Eine neue Studie, auf die ein genauer Blick lohnt;
- 2011: Vom Gay Pride zum White Pride – Koray Yilmaz-Günay (Hrsg.): “Karriere eines konstruierten Gegensatzes: Zehn Jahre „Muslime versus Schwule”: Sexualpolitiken seit dem 11. September”;
- 2012: Das Erleben homophober und rassistischer Diskriminierungen in schwulen binationalen Partnerschaften – Rezension von Zülfukar Çetins Buch “Homophobie und Islamophobie – Intersektionale Diskriminierungen am Beispiel binationaler schwuler Paare in Berlin”;
- 2016: Köln in der Silvesternacht – Rassismus reflektieren – und: ‘nach jedem verdammten Oktoberfest’ und Karneval sexualisierte Übergriffe thematisieren und endlich Präventionskonzepte verbessern und umsetzen;
Zentral spielte auf diesem Blog auch der Blick auf „schwule Klassiker“ der Literatur und neue wichtige Bücher eine Rolle. Auch hier wurden in zahlreichen der Beiträge die Schnittmengen zwischen Geschlechterverhältnissen, Rassismus und Klassenverhältnissen benannt und auch im Hinblick auf das „Scharnier“ zwischen ihnen – die Sexualität – reflektiert. Zentrale Beiträge sind hier:
- 2008: Michal Witkowski: Lubiewo;
- 2010: „Sein ganzer Traum von Männlichkeit“. Cem Yildiz sagt, wo es langgeht (von Salih Alexander Wolter);
- 2010: Die Kette – und das Schiff, das Meer, die ganze Welt Zum 100. Geburtstag von Jean Genet (von Salih Alexander Wolter);
- 2010: Ein schwuler „Anti-Orientalist“. Der spanische Autor Juan Goytisolo wird 80 (von Salih Alexander Wolter)
- 2011: Jäcki und die Heere der Unempfindlichkeit. Zum 25. Todestag von Hubert Fichte (von Salih Alexander Wolter);
- 2011: “Einer der spannendsten Schriftsteller der jüngeren Geschichte” – Doppelrezension zweier Bücher von und über Ronald M. Schernikau (von Ralf Buchterkirchen);
- 2012: Schwule Klassenkenntnis: Perihan Mağdens «Ali und Ramazan» (von Salih Alexander Wolter)
- 2012: So sehr, wie es nur geht …Perihan Mağdens «Ali und Ramazan»;
Mit den Parlamentsnotizen, verfasst von Ralf Buchterkirchen, gab die Seite stets einen Überblick über aktuelle parlamentarische und außerparlamentarische politische Enwticklungen. Ausgewählte weitere Beiträge, die sich einmischten sind:
- 2003: Schwul und Blut spenden;
- 2006: Sexualität ist nichts unanständiges – Leben mit Behinderung und Sexualität (Thesen der BAG queer der PDS zum gemeinsamen Bundestreffen mit der AG Selbstbestimmte Behindertenpolitik);
- 2009: Caster Semenya: wie aus einem Menschen ein „Fall“ wird;
- 2011: 10 Jahre Eingetragene Lebenspartnerschaft – und kein Ende in Sicht Verschlechterung der Bedingungen für binationale Partnerschaften;
- 2012: 1 Jahr Verschärfung der “Zwangsehe” für binationale Paare in der Bundesrepublik Deutschland;
- 2012: Das Ende der Strafbarkeit von Homosexualität – 18 Jahre Abschaffung § 175;
- 2013: Die „Homo-Karte“ in der Politik;
- 2014: Statt deutscher schwuler Bevormundung – russische Lesben und Schwule müssen den Ton angeben;
- 2016: 15 Jahre “Homo-Ehe”: Wovon nicht gesprochen wird…;
Klar ist: Das politische Streiten hört selbstverständlich NICHT auf. Aber es braucht andere Foren als eine Seite, die als identitär verortet wahrgenommen wird und den Eindruck erweckt, es gäbe durch eine sexuelle Orientierung eine Einigkeit und gemeinsame Positionen unter allen oder auch nur einer Mehrheit von Schwulen. Das ist nicht der Fall. Lasst uns also für emanzipatorische Sichtweisen streiten, in denen „schwul“ Menschen mit ihren individuellen Erfahrungen einschließt und nicht selbst Ausschlüsse produziert.
Ich bedanke mich herzlich bei allen Beitragenden, die auf der Seite geschrieben haben, und explizit bei den Oldenburger „Rosigen Zeiten“, die oft der Erstveröffentlichungsort der Beiträge waren – und weiterhin lesenswert sind. Ich schreibe dort selbstverständlich auch weiterhin 🙂
…und alle Beiträge auf Schwule Seite bleiben hier dauerhaft archiviert erhalten.
Heinz
[…] Die Schwule Seite schließt nach 17 Jahren – denn die Herausforderungen haben sich geändert. Zum Abschluss heißt es: „Wir brauchen also neue Bündnisse, in denen sich diejenigen zusammenfinden, die an einer emanzipatorischen und toleranten Entwicklung der Gesellschaft interessiert sind, die gleichermaßen gegen rassistische und antisemitische sowie gegen zweigeschlechtlich-sexistische Diskriminierung und Gewalt streiten. Ohne diese Verknüpfung emanzipatorischer Kämpfe entsteht viel Mist. Es wird für die folgenden emanzipatorischen Kämpfe darum gehen, dass sie feministisch, queer, of Color sind. Koalitionen sind nötig und werden uns gemeinsam weiterbringen.“ Im Beitrag gibt es auch noch einmal eine Linksammlung mit interessanten Analaysen und Berichten der letzten Jahre. […]