Archiv für Heinz-Jürgen Voß

Die „Schwule Seite“ schließt – die Herausforderungen haben sich verändert

Die Schwule Seite existiert nun seit 17 Jahren. Sie hat alle zentralen Entwicklungen in einer schwulen (und teilweise auch lesbischen) Community kritisch begleitet und mitgestaltet. Nun wird damit Schluss sein, da sich die Herausforderungen deutlich verlagert haben. Schwule haben sich in der Gesellschaft eingerichtet – zu den Bedingungen der Heterosexuellen. Einige sind sogar stolz darauf, nun zu einem deutschen, nationalen „Wir“ dazuzugehören – und sich an rassistischen und antisemitischen Ausgrenzungspraktiken zu beteiligen. Hingegen kommen aus schwulen Kontexten nur noch in Ansätzen Forderungen, die vorhandene Gesellschaft emanzipatorisch umzugestalten.

Wir brauchen also neue Bündnisse, in denen sich diejenigen zusammenfinden, die an einer emanzipatorischen und toleranten Entwicklung der Gesellschaft interessiert sind, die gleichermaßen gegen rassistische und antisemitische sowie gegen zweigeschlechtlich-sexistische Diskriminierung und Gewalt streiten. Ohne diese Verknüpfung emanzipatorischer Kämpfe entsteht viel Mist. Es wird für die folgenden emanzipatorischen Kämpfe darum gehen, dass sie feministisch, queer, of Color sind. Koalitionen sind nötig und werden uns gemeinsam weiterbringen.

Zahlreiche Beiträge dieses Blogs haben schwule und queere Debatte in den letzten Jahren deutlich beeinflusst. Es kamen hier erste einführende Texte zu Queer, die zudem klare Verbindungslinien zu einer Kritik an Kapitalismus gezogen haben. Damit schlossen diese Beiträge an das frühe Streiten der Gay Liberation – geschlechtervariant, viele davon of Color – an, die Befreiung erst dann als umgesetzt erachteten, wenn Geschlecht und Kapitalismus gleichermaßen abgeschafft seien.

Sehr deutlich positionierte sich die Schwule Seite gegen Rassismus und Antisemitismus in der schwulen Community. Besonders lesenswert hierzu sind:

Zentral spielte auf diesem Blog auch der Blick auf „schwule Klassiker“ der Literatur und neue wichtige Bücher eine Rolle. Auch hier wurden in zahlreichen der Beiträge die Schnittmengen zwischen Geschlechterverhältnissen, Rassismus und Klassenverhältnissen benannt und auch im Hinblick auf das „Scharnier“ zwischen ihnen – die Sexualität – reflektiert. Zentrale Beiträge sind hier:

Mit den Parlamentsnotizen, verfasst von Ralf Buchterkirchen, gab die Seite stets einen Überblick über aktuelle parlamentarische und außerparlamentarische politische Enwticklungen. Ausgewählte weitere Beiträge, die sich einmischten sind:

Klar ist: Das politische Streiten hört selbstverständlich NICHT auf. Aber es braucht andere Foren als eine Seite, die als identitär verortet wahrgenommen wird und den Eindruck erweckt, es gäbe durch eine sexuelle Orientierung eine Einigkeit und gemeinsame Positionen unter allen oder auch nur einer Mehrheit von Schwulen. Das ist nicht der Fall. Lasst uns also für emanzipatorische Sichtweisen streiten, in denen „schwul“ Menschen mit ihren individuellen Erfahrungen einschließt und nicht selbst Ausschlüsse produziert.

Ich bedanke mich herzlich bei allen Beitragenden, die auf der Seite geschrieben haben, und explizit bei den Oldenburger „Rosigen Zeiten“, die oft der Erstveröffentlichungsort der Beiträge waren – und weiterhin lesenswert sind. Ich schreibe dort selbstverständlich auch weiterhin 🙂

…und alle Beiträge auf Schwule Seite bleiben hier dauerhaft archiviert erhalten.

Heinz

Schlussstrich-Diskurs zur NS-Zeit – die von Patsy l’Amour laLove gehostete „Polymorphia“ und die auftretende „Geschichtslehrerin“

Gastbeitrag von zwei Teilnehmenden der Veranstaltung

Berlin: Es sollte ein heiterer Abend werden – mit Tunten-Performance und einem starken Zeichen für mehr Offenheit gegenüber der eigenen Weiblichkeit in der Schwulen-Szene. Was aber am 18. November 2016 bei der von Patsy l’Amour laLove gehosteten „Polymorphia“ im SchwuZ abging, war krass.

Ausgangspunkt war eine spontane Stand-up-Performance einer weiß-deutschen Darstellerin, die sich als „Geschichtslehrerin“ vorstellte. Sie holte das Thema Konzentrationslager und Nazi-Zeit auf die Bühne. Inhalt der Performance war eine Klassenfahrt zur Gedenkstätte Sachsenhausen. Einer der größeren Witze richtete sich darauf, dass die Schüler dort ja nur zu Besuch seien – sie und Publikum: „Haha“. Sie jammerte darüber, dass die Gedenkstättenpädagogik sie sicherlich als Nazis wahrnehmen würde, denn die Kids hätten lieber geredet und wären nicht so aufmerksam gewesen.

Sie sei aber kein Nazi, auch wenn sie – bei ihrer Performance – hohe Lederstiefel trage – sie und Publikum: „Haha“.

Dann hätten ihr zwei (gleichgeschlechtliche) Schüler_innen erzählt, dass sie jetzt zusammen seien. Sie – die Lehrerin – sei ja vor der Klasse geoutet. Sie habe die beiden trotzdem angeherrscht, dass sie leise sein sollten, weil sie ja schließlich „im KZ“ seien. Nachher habe sie sich geschämt, denn es könne nicht angehen, dass sich „Schwuchteln“ an so einem Ort gegenseitig zum Schweigen brächten, schließlich seien sie dort ermordet worden.

Das Ganze wurde in selbstkommentierter Slapstick-Art performt. Das Publikum ist mitgegangen, hat den Auftritt am Ende beklatscht, und zwischendurch wurde erheitert gelacht. Dass ein solch skandalöser Auftritt mittlerweile durchgeht, dass das Publikum johlend mitmacht, weist auf einen bedenklichen Zustand der schwulen Szene hin – zumindest derjenigen, die dort war. Die „Geschichtslehrerin“ wurde weder von der verantwortlichen Einladenden noch vom Publikum von der Bühne gepfiffen, obwohl sie einerseits einem Schlussstrich-Diskurs zuarbeitete – das KZ könne verlacht werden, und es sei vollkommen selbstverständlich, dass Schüler_innen eine Geschichtsstunde dort nicht ernst nehmen würden. Gleichzeitig wird einer reinen Opfergeschichte in Bezug auf Schwule zugearbeitet. Ist das das neue selbstgerechte weiß-deutsche Geschichtsbild, das Schwule vermitteln wollen? – sollten sich die „Geschichtslehrerin“, Patsy l’Amour laLove, das SchwuZ und das Publikum fragen. Warum wird mit einer solchen Geschichtsklitterung auf der Bühne gearbeitet – anstatt sich ernsthaft einer Erinnerungsarbeit anzunehmen, in der differenziert Opfer- und Täterschaft von schwulen Männern nachgespürt wird – hier könnte auch Performance einen Beitrag leisten. Wenn es aber einer Darstellerin offenbar nicht möglich ist, ein Thema angemessen zu erarbeiten, dann sollte sie es besser lassen und stattdessen ein Geschichtsbuch lesen oder eine echte Geschichtslehrerin fragen!

Kinderbücher für die pädagogische Arbeit zu sexueller und geschlechtlicher Selbstbestimmung

Seit 1994 ist der §175, der sich gegen mann-männliche Sexualität richtete, abgeschafft. Seitdem zielt die gesellschaftliche Entwicklung darauf, dass Lesben und Schwule und zunehmend auch Trans* und Inter* nicht mehr diskriminiert werden, sondern in ihrer sexuellen und/bzw. geschlechtlichen Selbstbestimmung ernstgenommen werden sollen. Geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung kommt letztlich allen Menschen zu Gute.

Für die pädagogische Arbeit ergeben sich damit bedeutende Änderungen. So kann und darf es in Einrichtungen nicht mehr vorkommen, dass z.B. Homosexualität als Krankehti vorgestellt wird – wie es noch bis in die 1990er Jahre der Fall war. Vielmehr gilt es Kinder und Jugendliche in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen, so dass sie es nicht – oder weniger – als Problem erleben, wenn sie feststellen, nicht in die heterosexuelle, nicht in die „typisch männliche“ oder „typisch weibliche“ Norm zu passen. Gleichzeitig wird durch eine Toleranz und Akzeptanz fördernde Pädagogik Diskriminierung abgebaut – das Kinder diskriminierungsfrei miteinander umgehen, beginnt im Kindergarten und setzt sich in dem wichtigen Lernort Schule fort. Das Erleben in Familie und der näheren Umgebung ist ein weiteres wichtiges Lernfeld.

Auf den Einrichtungsalltag zielen Materialien, Bücher und Bücherkisten, die auf ministerielle Anforderung von Fachberatungsstellen zusammengestellt werden. Aktuell wurden zwei sehr gute und ertragreiche Bücherkisten vorgestellt: „Geschlechter- und Familienvielfalt“, „Geschlecht, Sexualität und geschlechtliche und sexuelle Vielfaltin Krippe, Kindergarten und Hort“. Die Broschüren geben sehr gute Anregungen und bilden eine wichtige Grundlage für eine diskriminierungsfreie und demokratiefördernde Pädagogik.

Identität? Sich klar sexuell identifizieren? Einige Anregungen, sich locker zu machen

Sollte mensch sich hetero-, homo- oder bisexuell klar festlegen – oder lieber von solchen starren Festlegungen lösen und sich sexuell ausprobieren? Einige Beiträge regen an, starre Kategorisierungen bzgl. sexueller Orientierung zu überwinden. Gleichzeitig schreiben sie, dass auch die klare Verortung in Bezug auf Sexualität möglich sein soll – für die, die sie wollen. Hier die – sehr lesenswerten – Beiträge der letzten Tage:

Philipp Kienzl führt in einem ZEIT-Artikel aus: „Homo oder hetero? Diese Etiketten braucht kein Mensch“. Im Missy Magazine kommt Senzo zur Folgerung: „Come out or just come as you are! Warum ein Coming-out kein fester Bestandteil von queeren Biografien sein muss“. Und auf Queer.de heißt es, ebenfalls in Kritik an starren Identitätskonzepten, von Ulrike Kümel: „Warum schwule Sichtbarkeit nicht grundsätzlich gut ist“.

„Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven“ – Buch von Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß

PSY-Cetin-2549-v03.inddSehr gern weise ich auf das gerade erschienene Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven“ von Zülfukar Çetin und mir hin. Wir freuen uns auf Diskussionen und eure und Ihre Anmerkungen. Gern könntet ihr und könnten Sie ein Rezensionsexemplar bestellen – entweder direkt beim Verlag oder bei: Heinz-Jürgen Voß, voss_heinz@yahoo.de .

Deutlich wird im Band u.a., dass das Konzept „Homosexualität“ selbst von den emanzipatorisch Streitenden im Gegensatz zum „dem Sex ‚der Anderen'“ entwickelt wurde, also gegen den gleichgeschlechtlichen Sex z.B. in Süditalien und der Türkei. Von den historischen Betrachtungen wird der Bogen zu aktuellen rassistischen Debatten und Akteuren gespannt. Gleichzeitig wird analytisch hergeleitet, warum „schwul“ auf Schulhöfen ein oft abwertend genutzter Begriff ist, wenn er auch meist flachsend verwendet wird; es wird klar, warum das so bleiben muss, wenn nicht auch auf neue Konzepte zurückgegriffen wird …

Nun die detaillierten Informationen:

Zülfukar Çetin, Heinz-Jürgen Voß:
Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität: Kritische Perspektiven

# Oktober 2016; 146 Seiten; 19,90 Euro
# ISSN: 2367-2420
# Psychosozial-Verlag, https://www.psychosozial-verlag.de
# Informationen zum Buch beim Verlag

# Klappentext:
Vorangetrieben von »Schwulen« selbst wurde seit dem 19. Jahrhundert das Konzept schwuler Identität durchgesetzt. Noch heute gelten »Sichtbarkeit« und »Identität« weithin als Schlüsselbegriffe politischer Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt. Jedoch wird aktuell immer deutlicher, dass auf diese Weise ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert. So werden beispielsweise Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen marginalisiert.

Die Autoren des vorliegenden Bandes hinterfragen die Gewissheit, dass eine einheitliche schwule Identität existiert, aus unterschiedlichen Perspektiven: bewegungsgeschichtlich, wissenschaftstheoretisch und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Homonationalismus und rassistische Gentrifizierung.

15 Jahre „Homo-Ehe“: Wovon nicht gesprochen wird…

Sieht man auf die Berichterstattung der vergangenen Tage zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft, so wird der Eindruck einer einzigen Erfolgsgeschichte vermittelt. Zunächst hätten sich einige Lesben und Schwule beim Standesamt angemeldet – und seien noch nicht vorgelassen worden. Ab 2001 sei die standesamtliche Eintragung gleichgeschlechtlicher Paare dann möglich gewesen und hätten die Partner_innen nach und nach immer mehr Rechte erhalten.

So die Erfolgsgeschichte, wie man sie bei Queer.de und im Tagesspiegel (Queerspiegel) nachlesen kann. Aber es handelt sich um eine bereinigte Geschichte – alle alternativen und emanzipatorischen Entwürfe, die es gab, sind daraus getilgt. Was war mit der „Schlampagne“, was mit der „Aktion Nein-Wort – wir scheißen auf euer Ja-Wort“, was mit den Vorschlägen des Lesbenrings und des Bundesverbands Homosexualität, was mit den Vorschlägen zu „Wahlfamilien“ der Partei PDS? Was war mit den Kämpfen in der Partei Bündnis 90/Die Grünen, in der sich die Männer um Volker Beck gegen die Feministinnen durchgesetzt haben? Jutta Oesterle-Schwerin von der größten Homosexuellen-Organisation dieser Zeit – dem Lesbenring – warnte ausdrücklich davor, dass nur einige Schwule und Lesben mit der Ehe in die Gesellschaft eingeschlossen würden, wohingegen andere – sie betonte gerade schwule – Lebensweisen zunehmend diskriminiert und stigmatisiert werden würden.

Anderes als die Homo-Ehe war schon in den 1990er Jahren möglich. So schrieben etwa größere Medien wie Der Spiegel schon 1996, dass in der Bundesregierung bereits Debatten über erste Regelungen im Gang seien, um das „trotz großer Reformversuche hoffnungslosveraltet[e]“ (ebd.: 78) Bürgerliche Gesetzbuch wieder auf den aktuellen Stand des Zusammenlebens der Menschen und ihrer Bedürfnisse zu bringen. Der Spiegel schrieb weiter: „Was eine Familie ist, entscheidet sich künftig danach, wer mit wem beim Frühstück sitzt – und nicht mehr nach Trauschein, gemeinsamem Namen oder Stammbuch. Nicht mehr die traditionelle Ehe, sondern alle ‚auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften‘ genießen den Schutz der Rechtsordnung – so jedenfalls steht es in der neuen Landesverfassung von Brandenburg. Ähnliche Verfassungsformulierungen finden sich auch in anderen neuen Ländern.“ (Der Spiegel 1996: 79)

Und auch schon zu der gleichen Zeit wurde in Frankreich der PACS, der Zivile Solidaritätspakt, verankert, der mittlerweile in Frankreich pro Jahr häufiger geschlossen wird als die Ehe. Hingegen gibt es in Deutschland erst 41.000 Eingetragene Lebenspartnerschaften – auch das ist ein Votum. Damit bleibt die Forderung erhalten: Wer heiraten will, soll heiraten – und das richtig! Kein Sondergesetz! Gleichzeitig müssen wir zu einer rechtlichen Form kommen, in der Menschen das rechtlich Notwendige miteinander absichern können, was ihnen wichtig ist: Mietvertrag, Zeugnisverweigerungsrecht, Krankenhausbesuchsrecht individuell, zu mehreren Personen. Wer weiterlesen will, gern hier: „Homo-Ehe oder Solidaritätsvertrag?“

16. Juli 2016, Leipzig: Erste Einblicke in das neue Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität“

Passend zu dem am 16. Juli stattfindenden CSD in Leipzig gibt es bei der „Radical book fair“ (ab 16:30 Uhr, Veranstaltungsort) erste Einblicke in das neue Buch „Schwule Sichtbarkeit – schwule Identität“, das aktuell im Druck ist und im Herbst im Gießener Psychosozial-Verlag erscheint. Das von Zülfukar Çetin und Heinz-Jürgen Voß verfasste Buch wendet sich facettenreich und kritisch Politiken der Sichtbarkeit zu. Unten folgt der Klappentext – ausführlichere Passagen des Buches gibts in Leipzig. Vielen Dank an Salih Alexander Wolter für die tolle Unterstützung sowie das gemeinsame Nachdenken und Arbeiten!

Klappentext: Vorangetrieben von »Schwulen« selbst wurde seit dem 19. Jahrhundert das Konzept schwuler Identität durchgesetzt. Noch heute gelten »Sichtbarkeit« und »Identität« weithin als Schlüsselbegriffe politischer Kämpfe Homosexueller um Anerkennung und Respekt. Jedoch wird aktuell immer deutlicher, dass auf diese Weise ein Ordnungsregime entsteht, das auf Geschlechternorm, Weißsein, Bürgerlichkeit und Paarbeziehung basiert. So werden beispielsweise Queers of Color und Queers mit abweichenden Lebensentwürfen marginalisiert. Die Autoren des vorliegenden Bandes hinterfragen die Gewissheit, dass eine einheitliche schwule Identität existiert, aus unterschiedlichen Perspektiven: bewegungsgeschichtlich, wissenschaftstheoretisch und mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Homonationalismus und rassistische Gentrifizierung.

Es schließt sich um 17:30 Uhr die Vorstellung des Sammelbandes „Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung: Praxisorientierte Zugänge“, herausgegeben von Michaela Katzer und Heinz-Jürgen Voß, an.

Klappentext: Selbstbestimmung geht über die Überwindung bzw. Abwesenheit von äußerem Zwang hinaus. Sie erfordert positives Bewusstsein über Möglichkeiten eigenen Handelns mit einem Spektrum von Anpassung bis Ausbruch. Geschlechtliche Selbstbestimmung schließt Abweichung, Veränderung und Deutungshoheit über körperliche Geschlechtsmerkmale ein.
Im vorliegenden Buch wird »Selbstbestimmung« im sexualwissenschaftlichen Diskurs aus akademischer und aktivistischer Perspektive betrachtet. Die Beiträge beleuchten Aspekte von Inter- und Transsexualität, Asexualität, Sexualität unter Haftbedingungen, im Kontext von Behinderung sowie außerhalb heterosexueller Paarbeziehungen. In ihrer Vielfalt sind die Beiträge Zeitzeugnis, geben zugleich einen Ausblick auf die Zukunft und tragen dazu bei, gängige Denkschablonen zu überwinden.
Mit Beiträgen von Anne Allex, Markus Bauer, Heike Bödeker, Jens Borchert, Diana Demiel, Andreas Hechler, Michaela Katzer, Torsten Klemm, Katja Krolzik-Matthei, Anja Kruber, Alina Mertens, Andrzej Profus, Nadine Schlag, Heino Stöver, Manuela Tillmanns, Daniela Truffer, Heinz-Jürgen Voß und Marlen Weller-Menzel

NEUes Buch, Katzer/Voß: „Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung: Praxisorientierte Zugänge“

PSY-Katzer-2546-v03.indd„Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung“ (Gießen 2016: Psychosozial-Verlag) ist ein innovativer und praxisorientierter Sammelband. Themen in den drei im Titel benannten Schwerpunkten sind: Trans* // Intergeschlechtlichkeit // Asexualität // ‚Sexualität und Gefängnis‘ // Recht auf Abtreibung // Behinderung und reproduktive Selbstbestimmung // geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. Weitere Informationen zum Band unten und hier: http://www.psychosozial-verlag.de/catalog/product_info.php/cPath/1000/products_id/2546 .

Über dein und Ihr Interesse würden wir uns freuen – auch über Rezensionen. Ein Rezensionsexemplar kann bei mir ( voss_heinz@yahoo.de , wird ab 10. März verschickt) oder direkt beim Verlag angefordert werden ( Melanie Fehr, melanie.fehr@psychosozial-verlag.de ). Auch über weitere Rückmeldungen freuen wir uns!

Liebe und herzliche Grüße
Heinz-Jürgen Voß

Geschlechtliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung: Praxisorientierte Zugänge
Michaela Katzer, Heinz-Jürgen Voß (Hg.)

Buchreihe: Angewandte Sexualwissenschaft
Verlag: Psychosozial-Verlag
2016 / 358 Seiten, 36,90 Euro
ISBN-13: 978-3-8379-2546-3
Informationen: http://www.psychosozial-verlag.de/catalog/product_info.php/cPath/1000/products_id/2546
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe: http://www.psychosozial-verlag.de/pdfs/leseprobe/9783837925463.pdf

Klappentext:
Selbstbestimmung geht über die Überwindung bzw. Abwesenheit von äußerem Zwang hinaus. Sie erfordert positives Bewusstsein über Möglichkeiten eigenen Handelns mit einem Spektrum von Anpassung bis Ausbruch. Geschlechtliche Selbstbestimmung schließt Abweichung, Veränderung und Deutungshoheit über körperliche Geschlechtsmerkmale ein.

Im vorliegenden Buch wird »Selbstbestimmung« im sexualwissenschaftlichen Diskurs aus akademischer und aktivistischer Perspektive betrachtet. Die Beiträge beleuchten Aspekte von Inter- und Transsexualität, Asexualität, Sexualität unter Haftbedingungen, im Kontext von Behinderung sowie außerhalb heterosexueller Paarbeziehungen. In ihrer Vielfalt sind die Beiträge Zeitzeugnis, geben zugleich einen Ausblick auf die Zukunft und tragen dazu bei, gängige Denkschablonen zu überwinden.

Mit Beiträgen von Anne Allex, Markus Bauer, Heike Bödeker, Jens Borchert, Diana Demiel, Andreas Hechler, Michaela Katzer, Torsten Klemm, Katja Krolzik-Matthei, Anja Kruber, Alina Mertens, Andrzej Profus, Nadine Schlag, Heino Stöver, Manuela Tillmanns, Daniela Truffer, Heinz-Jürgen Voß und Marlen Weller-Menzel

Köln in der Silvesternacht – Rassismus reflektieren – und: ’nach jedem verdammten Oktoberfest‘ und Karneval sexualisierte Übergriffe thematisieren und endlich Präventionskonzepte verbessern und umsetzen

Es gibt nun auch einige nüchternere Beiträge zu den Ereignissen in der Silvesternacht in Köln. Ich finde erschütternd, dass hier wieder ein Ereignis herausgegriffen und Geflüchteten angelastet wird. Einerseits stellt sich die Situation offenbar anders dar (keinem Geflüchteten wird bei den Kölner Ereignissen bisher ein Sexualdelikt vorgeworfen!), andererseits ist es endlich an der Zeit, dass institutionell dagegen vorgegangen wird, dass 35% der cis*-Frauen (bei Trans* liegt die Zahl noch höher) in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen sind und dass es quasi bei jedem Großereignis (Münchner Oktoberfest, Karneval) stetig zu sexistischer Gewalt gegen Frauen kommt: Stefanie Lohaus und Anne Wizorek schreiben auch hierzu sehr gut und sie zitieren u.a. den folgenden Karnevalsbericht: „[Beim Karneval ist] allein der kurze Weg zur Toilette [] der reinste Spießrutenlauf. Drei Umarmungen von wildfremden, besoffenen Männern, zwei Klapse auf den Hintern, ein hochgehobener Dirndlrock und ein absichtlich ins Dekolleté geschütteter Bierschwall sind die Bilanz von dreißig Metern“ ( http://www.vice.com/de/read/die-rape-culture-wurde-nicht-nach-deutschland-importiert-sie-war-schon-immer-da-aufschrei-118 )

Sehen wir uns die Verhältnisse der Unterbringung und Befragung Geflüchteter in Deutschland an, finden wir in einem Extremmaß begünstigende Faktoren für sexualisierte Gewalt gegen Geflüchtete und eine von den Behörden hergestellte Befragungssituation, die jeglichen Standards der Vorbeugung vor (Re-)Traumatisierung widerspricht. (Falls das von Interesse ist: Ausführlicher zu diesem Thema – sexualisierte Gewalt und Flucht – haben Farid Hashemi, Torsten Linke und ich gerade einen Beitrag verfasst und sind wir auch gern zu Vorträgen bereit.)

Konkret zu Köln:

1) ZEIT: Die Ereignisse stellen sich nun so dar: „31 Tatverdächtige hat die Bundespolizei wegen der Übergriffe an Silvester ermittelt, 18 davon sind Asylbewerber. Sexualdelikte werden letzteren aber nicht angelastet. […] Unter den 31 bekannten Verdächtigen der übrigen Delikte seien neun algerische, acht marokkanische, fünf iranische, vier syrische, ein irakischer, ein serbischer, ein US-amerikanischer und zwei deutsche Staatsangehörige.“ http://www.zeit.de/gesellschaft/2016-01/koeln-verdaechtige-asylbewerber-bundespolizei-silvester

2) Frankfurter Rundschau: „Auch gibt die Bundespolizei bekannt, dass sie nach bisherigem Stand 32 Straftaten festgestellt hat – mit 31 namentlich bekannten Tatverdächtigen. […] Zwar seien wegen Sexualdelikten drei Strafanzeigen bei der Bundespolizei eingegangen, sagte der Sprecher weiter. Tatverdächtige seien in diesen Fällen aber nicht ermittelt worden.“ http://mobil.fr-online.de/cms/politik/uebergriffe-in-koeln-viele-nationalitaeten-unter-den-verdaechtigen,4232484,33480158,view,asFitMl.html

3) Deutschlandfunk: „Ungereimtheiten und Widersprüche bei der Polizei. […] Aus der Bundespolizeibehörde heißt es, Flüchtlinge hätten grinsend ihre Aufenthaltstitel zerrissen. Nachfragen des DLF ergaben, das geht gar nicht: Es handelt sich um Scheckkarten-Formate. Nur ein begriffliches Problem? Oder mehr? Es gibt weitere Unklarheiten und Widersprüche.“ http://www.deutschlandfunk.de/silvesternacht-in-koeln-ungereimtheiten-und-widersprueche.1818.de.html?dram:article_id=341911

4) Weitere gute, weil ihren gründlichen Informations- und Diskussionsauftrag ernst nehmende, Beiträge sind auch die folgenden:

– Neues Deutschland: Angstmacherei mit System – In der Köln-Debatte werden laut Nadia Shehadeh sexistische Gesellschaftsstrukturen verschleiert und Missstände ethnisiert. http://www.neues-deutschland.de/artikel/997289.angstmacherei-mit-system.html

– taz: Seit der Kölner Silvesternacht wird einer sexismusfreien Zeit hinterhergetrauert. Die hat es in Deutschland nie gegeben. Von Hengameh Yaghoobifarah. http://taz.de/Gewalt-gegen-Frauen/!5263311/

–  Die Rape Culture wurde nicht nach Deutschland importiert – sie war schon immer da. Von Stefanie Lohaus und Anne Wizorek. http://www.vice.com/de/read/die-rape-culture-wurde-nicht-nach-deutschland-importiert-sie-war-schon-immer-da-aufschrei-118

– Die rassistische Hysterie nach den Übergriffen in verschiedenen deutschen Städten schadet den Opfern, weil sie eine wirkliche Debatte über sexualisierte Gewalt verhindert. Von Margarete Stokowski. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/margarete-stokowski-ueber-sexualisierte-gewalt-a-1070905.html

– Antje Schrupp nach einem Beitrag… „Das rassistische Narrativ ’schwarzer Mann vergewaltigt weiße Frau‘ ist volle Kanne durchgeschlagen“ [1] https://www.facebook.com/antjeschrupp/posts/10205704490195631 ; [2] http://www.stern.de/familie/leben/koeln—was-jetzt-zu-tun-ist–ein-gastbeitrag-von-antje-schrupp-6632962.html

– Musa Okwonga: „Wie umgehen mit den sexuellen Übergriffen in Köln und Hamburg?“ http://www.okwonga.com/wie-umgehen-mit-den-sexuellen-ubergriffen-in-koln-und-hamburg/

– Bundesforum Männer: „Für das Bundesforum Männer steht fest, dass die bekanntgewordenen Straftaten in keiner Weise verharmlost oder gerechtfertigt werden dürfen. Genauso scharf weist das Bundesforum Männer jedoch zurück, dass die Geschehnisse als ressentimentbeladene Bestätigung für Stereotypen vom ‚Flüchtlingsmann‘ instrumentalisiert und verallgemeinert werden.“ https://bundesforum-maenner.de/2016/01/koeln-hamburg-stuttgart-sexualisierte-gewalt-geht-nirgendwo/

Heinz-Jürgen Voß

17.12., Merseburg: Winterlicher Abschluss der Queerfilmreihe – „Milk“ und „Alles ist Liebe“

Am 17. Dezember zeigen wir die letzten beiden Filme im Rahmen der Queerfilmreihe in Merseburg für dieses Jahr:

Um 19:30 Uhr kommt der sehr sehenswerte Film „Milk“:

Der US-amerikanische Bürgerrechtler Harvey Milk (Sean Penn)wird als erster offen Schwuler in ein öffentliches Amt gewählt. Der Film basiert auf seiner Biografie und zeigt die institutionelle, aber auch gesellschaftliche Intoleranz gegenüber Lesben und Schwulen im Amerika der 1970er. So scheitern einige seiner Kandidaturen und seine Beziehung geht über seine politischen Bestrebungen in die Brüche. Milk setzt sich trotz starker Rückschläge unermüdlich für die Rechte homosexueller ein, besonders im Stadtteil Castro, in San Francisco, wo er selbst wohnt. Doch der Bürgerrechtler macht sich nicht nur Feinde, auch enge Freundschaften begleiten seinen Weg und helfen ihm bei seinen Wahlkampagnen

um 22:00 Uhr lassen wir das Queerfilmjahr mit „Alles ist Liebe“ ausklingen:

Die Liebe finden – das ist der Konsens des Films. Nur hat jeder seine eigenen Probleme damit. Martin verlässt Alice, Hannes will Clara zurück, Kiki sucht den perfekten Mann, Klaus und Viktor wollen heiraten und Kerem ist bereits verheiratet und versucht trotz wenig Geld seiner Familie ein schönes Fest zu ermöglichen. In mehreren kleinen Beziehungsgeschichten zeigen sich die Wünsche, Träume und eben auch Unzulänglichkeiten, die das Verliebtsein so mit sich bringen. In Kombination mit der ohnehin schon aufgewühlten Weihnachtszeit ergeben sich wehmütige, aber auch lustige Situationen.

Zeit, Ort:
# Donnerstag, 17.12.2015
# 19:30 und 22:00 Uhr
# im Domstadtkino Merseburg, König- Heinrich Straße 7, 06217 Merseburg

Die Queerfilmreihe wird durch die Hochschule Merseburg mit der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt und dem Domstadtkino seit Anfang des Jahres organisiert. Gezeigt werden Filme mit lesbischen, schwulen und transidenten Inhalten, um die Offenheit Merseburgs für Vielfalt zu unterstreichen.