(von Ralf Buchterkirchen, aus Rosige Zeiten)
Yesim Fadia ist Muslima. Sie hat sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Integrationslotsin auf ein vor der EU gefördertes Projekt beworben. Fachlich war gegen sie nichts einzuwenden. Sie sollte dort insbesondere muslimischen MigrantInnen bei der Arbeitssuche helfen. Der Arbeitgeber hatte nur ein „kleines“ Problem und den falschen Namen. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um das Diakonische Werk. Mit 420.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der größeren Arbeitgeberinnen in der Bundesrepublik und – und genau das war das Problem – die Diakonie gehört der Evangelischen Kirche. Schwerpunkt der Arbeit der Diakonie ist, ebenso wie bei der katholischen Caritas, die Pflege von Menschen, sei es in Altersheimen, Krankenhäusern oder Kindergärten. Aufgabe dieser Vereine ist nicht die Sicherstellung der Religionsausübung. Die nach eigenen Aussagen „nicht praktizierende Muslima“ wurde gefragt, ob sie Christin werden wolle, was sie ablehnte (Warum sollte sie auch?). Sie war jedoch bereit einen Vertrag zu unterschreiben und Kirchensteuer zu zahlen. Das hat der Diakonie jedoch nicht gereicht und sie wurde abgelehnt. Dagegen klagte Yesim Fadia vor dem Arbeitsgericht und bekam Recht (und eine Abfindung von 3900 EUR).
Die Diakonie hatte mit den Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) argumentiert, welche Kirchen das Recht zur Diskriminierung explizit einräumt. Dort heißt es in §9: „Kirchen und Religionsgemeinschaften sollen ihre Beschäftigten weiterhin mit Rücksicht auf deren Religion oder Weltanschauung auswählen dürfen, soweit dies im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach Art der Tätigkeit gerechtfertigt ist.“ Damit verband die Kirche (und will mensch der Debatte zur Einführung des Antidiskriminierungsgesetzes Glauben schenken auch die gesetzgebende Gewalt) das Recht, alle ihre MitarbeiterInnen nach eigenen Kriterien auszuwählen, das AGG also komplett ignorieren zu können.
Überraschenderweise sahen die RichterInnen dies anders, da die Tätigkeit der IntegrationslotsIn nicht als klassischer Bestandteil der Religionsausübung zu werten sei und eine Diskriminierung „nach Art der Tätigkeit“ nicht gerechtfertigt sei. Kirche und christliche PolitikerInnen geben sich standesgemäß empört, andere feien dieses Urteil als Meilenstein im Abbau von Diskriminierung. Hat das Urteil Bestand, würde damit eine Hauptkritik am AGG gegenstandslos, die die Ausuferung der Ausnahmerechte abseits des Verkündungsdienstes religiöser Gemeinschaften kritisiert hat. Dies ist auch für Lesben und Schwule von erheblicher Bedeutung, wenn auch nur indirekt. §9 behandelt nur die Diskriminierung aufgrund Religion und Weltanschauung. Allerdings existiert eine Loyalitätsklausel, die Diskriminierung aufgrund „beruflicher Anforderungen“ erlaubt. Verbunden mit ihrem grundgesetzlichem Sonderstatus wurden und werden insbesondere Schwule gefeuert, wie der Fall eines Limburger Sozialpädagogen zeigt, welcher nach dem Eintragen bei Gayromeo entlassen wurde (allerdings hat das Gericht dies als unzulässig eingestuft). Nach geltender Rechtslage kann der schwule Krankenpfleger nach seinem Coming Out oder dem Eingehen einer Lebenspartnerschaft von seiner Arbeitgeberin Diakonie oder Caritas gekündigt werden. Auch dies könnte sich nun ändern: Mit dem Urteil für Yesim Fadia und zunehmend ähnlichen Urteilen kann eine Neuinterpretation der Rolle und Rechte kirchennaher Betriebe erfolgen. Im besten Fall fällt damit ein erhebliches Diskriminierungsmerkmal kirchlicher Arbeitgeber weg. In ländlich geprägten Regionen, wo üblicherweise ausschließlich kirchliche Träger (allerdings massiv staatlich gefördert!) Pflege-, Krankenhaus-, und Kinderbetreungsdienste anbieten, könnte so ein lebenslanges Versteckspielen ein Ende haben und die neueren gesellschaftlichen Entwicklungen gegen Diskriminierungen endlich auch hier Einzug halten. Bleibt zu hoffen, dass übergeordnete Instanzen nicht nur im Fall Yesim Fadia ebenso entscheiden.
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