Tag Archiv für postcolonial

Vom Gay Pride zum White Pride – Koray Yilmaz-Günay (Hrsg.): „Karriere eines konstruierten Gegensatzes: Zehn Jahre „Muslime versus Schwule“: Sexualpolitiken seit dem 11. September“

(Rezensiert von Heinz-Jürgen Voß; die Rezension ist zuerst erschienen auf www.kritisch-lesen.de – herzlichen Dank an die Redaktion für das Einverständnis zur Zweitveröffentlichung!)

 

Wie in einem Brennglas erscheinen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 die seit dem Kolonialismus etablierten westlichen Imaginationen über „den Islam“ – Geschlecht und Sexualität waren und sind in diesen zentral. Und es blieb nicht bei Vorstellungen, sondern es wurden in westlichen Staaten demokratische Grundrechte abgebaut und Kriege begonnen – in weiten Teilen begründet mit Argumentationen über Geschlecht und Sexualität.

Die Anschläge des 11. September 2001 („9/11“) auf das World Trade Center und das Pentagon, bei denen mehr als 3000 Menschen starben, haben in der Weltgeschichte der letzten zehn Jahre deutliche Spuren hinterlassen. Demokratische Staaten haben nicht etwa mit den Möglichkeiten ihrer Gesetze reagiert und die Verbrechen nach dem Strafgesetzbuch geahndet. Stattdessen fanden Kriege statt, wurden militärische Drohungen ausgestoßen und im Inneren grundlegende demokratische Rechte für obsolet erklärt bzw. gleich ganz aufgehoben. Begleitet war diese Entwicklung von einer intensiven Diskursivierung des Islam, nicht etwa nur jener Verbrecher, die diese Anschläge verübten. Der Islam erschien nun vielen als bedrohlich. Die emotionale Erregung, die viele Menschen mit den Anschlägen erfasste, kanalisierte sich – westlich – hin zu einer Ablehnung des Islam an sich und zu Vorbehalten selbst gegenüber ganz konkreten Menschen, die als Musliminnen und Muslime erschienen. Weiterlesen

Verqueerte Verhältnisse

rezensiert von Salih Alexander Wolter (vorab aus: „Rosige Zeiten“, 125)

Verqueerte Verhältnisse betitelt die AG Queer Studies der Hamburger Universität den vor kurzem erschienenen zweiten Sammelband zu ihrer Vorlesungsreihe „Jenseits der Geschlechtergrenzen“. Dieses queer-feministische wissenschaftliche Angebot, hervorgegangen aus einem 1990 mit schwulem Schwerpunkt begründeten Projekt, ist umso bemerkenswerter, als in der Bundesrepublik insgesamt – sehr zurückhaltend formuliert – „Rückschritte bezüglich der Anerkennung und Einschreibung von geschlechter- und sexualitätenpolitischen Themen in das akademische Feld zu beobachten sind“ (S. 31f). Offenbar soll bald kein informierter Einspruch mehr das Publikum gelegentlich irritieren – und schon gar nicht soll die lästige Machtfrage gestellt werden -, wenn beispielsweise „rassistische Feminismen“ à la „Alice Schwarzer und der Kreis um die Zeitschrift EMMA“ (S. 11) ihr borniertes „Wissen“ über Migrant_innen auf sämtlichen verfügbaren Kanälen verbreiten. Das wäre dann, im Wortsinn, dumm gelaufen – wie so vieles, seit man sich an hiesigen Hochschulen dem verschreibt, was Wirtschaft und herrschende Politik für „Exzellenz“ halten. Dabei ließe sich im heute angesagten Sprech doch auch bedauern, dass „Deutschland“ darauf verzichtet, sich um internationale Wettbewerbsfähigkeit auf einem zukunftsweisenden Gebiet der Sozialwissenschaften zu bemühen. Weiterlesen