von Ralf Buchterkirchen, erschienen in „Rosige Zeiten“, April/Mai 2009)
1948 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie legte die Grundlage für universelle Menschenrechte. Auch wenn längst nicht in allen Staaten die Normen der erklärten Menschenrechte eingehalten werden (erinnert sei an das Verbot von Folter und Todesstrafe), so können sie doch als Erfolg gewertet werden. Die Allgemeinen Menschenrechte beinhalten jedoch nicht explizit den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung.
Wie nötig auch hier allgemeingültigen Richtlinien im Rahmen der Menschenrechte sind, zeigt ein Blick in die Politik nahezu jeden Staates dieser Erde. In einigen Ländern existiert noch die Todesstrafe für gelebte Homosexualität oder für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen, bei manchen droht lange Haft oder Folter. Selbst das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung ist teilweise verboten. In vielen Ländern sind staatliche Behörden an Diskriminierungen direkt und indirekt beteiligt. Diskriminierungen finden aber auch an anderer Stelle statt. So werden Menschen gezwungen ein Geschlecht anzunehmen, werden intersexuelle Menschen zwangsweise operiert oder ergeben sich auf Grund der Lebensweise Nachteile im Beruf.
2003 gab es in der UN-Vollversammlung eine brasilianische Initiative, den Schutz der Menschenrechte aufgrund Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung zu beschließen; sie scheiterte jedoch. 2006 trafen sich in Yogyakarta (Indonesien) international anerkannte Menschenrechtsexpert/-innen um dieses Thema zu diskutieren und Vorschläge für solche Menschenrechte zu erarbeiten. Am 26. März 2007 wurden sie, die „The Yogyakarta Principles. Principles on the application of international human rights law in relation to sexual orientation and gender identity.” (engl., „Die Yogyakarta-Prinzipien. Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität“), verabschiedet. In 29 Prinzipien sind in diesen die international geltenden Menschenrechte auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität angewendet worden. Die Forderungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte finden sich inhaltlich wieder, jedoch fokussiert auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität.
So wird in Prinzip 1 dem „Recht auf universelle Gültigkeit der Menschenrechte“ die Forderung aufgestellt, dass alle Menschen, auch gleich welcher sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, voll an allen Menschen rechten teilhaben sollen. Entsprechende gesetzliche Regelungen die die Teilhabe an Menschenrechten beschränken, auch solche strafrechtlicher Art, sind aufzuheben.
Das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf Leben, das der persönlichen Sicherheit und der Schutz der Privatsphäre sind grundlegende Prinzipien, die formuliert werden. Konkret wird hier das Verbot der Bestrafung einvernehmlicher sexueller Handlungen zwischen Menschen, die das Einwilligungsalter erreicht haben, gefordert; das heißt konkret, dass die Abschaffung von Todesstrafen und Gefängnisstrafen für Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr gefordert wird. Gleichzeitig sollen Behörden dafür Sorge tragen, das Lesben, Schwule und Transgender wirksam vor Übergriffen geschützt werden. Weiterhin wird gefordert, keine unterschiedlichen Schutzaltergrenzen für gleich- und gegengeschlechtlichen Sexualverkehr zuzulassen.
Weitere Forderungen sind das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht zur friedlichen Versammlung und das der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, sowie das Recht auf Asyl auch bei Verfolgung auf Grund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Es wird ein Recht auf soziale Sicherheit gefordert; ausgeschlossen werden sollen jeweils Diskriminierungen auf Grund der Geschlechtsidentität und der sexueller Orientierung.
Ein weiterer gewichtiger Punkt ist das Prinzip 24, das Recht auf Gründung einer Familie. Es verbietet die Diskriminierung von Familien aufgrund der der sexuellen Orientierung eines ihrer Mitglieder. Dieses Prinzip könnte weitreichende Konsequenzen haben, beinhaltet es doch das Recht auf Eheschließung, Adoption und medizinisch unterstützter Fortpflanzung sowie die rechtliche Gleichstellung unverheirateter lesbischer oder schwuler Paare mit denen heterosexuellen Paaren.
Für Trans*-Menschen und Intersexuelle bedeutend sind die Prinzipien 17 und 18, die das Recht auf ein höchstmögliches Maß an Gesundheit und den Schutz vor medizinischer Misshandlung einfordern. Bei Maßnahmen im Rahmen von Geschlechtsanpassungen wird der Zugang zu kompetenter, nichtdiskriminierender Behandlung und Betreuung gefordert. Zudem wird klargestellt, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität keine Erkrankungen sind und daher nicht behandelt, geheilt oder unterdrückt werden dürfen. Damit sprechen sich die Yogyakarta Prinzipien explizit für ein Verbot von geschlechtsangleichenden Operationen im Kindes- und Säuglingsalter aus.
Seit der Vorlage der Yogyakarta-Prinzipien sind inzwischen 2 Jahre vergangen. Ziel muss es sein, das diese Prinzipien langfristig zum internationalen Recht werden. Ein Ansatz auf staatlicher Ebene könnte sein, diese Prinzipien als Grundprinzip des politischen Handelns im Umgang mit anderen Ländern und für die eigenen Gesetze zu machen. Was eine solche Entscheidung für die Bundesrepublik Deutschland im Einzelnen bedeuten würde, wird anhand von Beispielen in der nächsten RoZ diskutiert. Allerdings sind auch in der Bundesrepublik Deutschland die Yogyakarta Prinzipien wenig diskutiert, geschweige denn umgesetzt. Entsprechend seien sie zur weiteren Lektüre und Verbreitung empfohlen:
http://www.yogyakartaprinciples.org
http://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/fileadmin/images/schriftenreihe/yogyakarta-principles_de.pdf
Weiter zur Umsetzung der Yogyakarta-Prinzipien in der Bundesrepublik Deutschland: hier (ebenfalls ein Artikel von Ralf Buchterkirchen)
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