(von Heinz-Jürgen Voß; zuerst erschienen in „Rosige Zeiten“, Nr. 133 (Mai / Juni 2011)
„Während bürgerliche Medien biologistische Theorien vom ‚Wesen der Frau‘ aufleben lassen und ein Comeback überkommener Geschlechterstereotype in ihre Gazetten schreiben, nutzen junge Feministinnen die neuen Medien, werden Popperinnen und Bloggerinnen und verbreiten Onlinemagazine oder Printmedien wie das Missy Magazine. Andere organisieren phantasievolle Gegendemonstrationen gegen christliche Fundamentalisten und Evangelikale, denen das Recht auf selbstbestimmte Sexualität ein Dorn im Auge ist, oder gründen an den Universitäten feministische Gruppen […].“ (S.121)
Feminismus ist lebendig und ist bitter notwendig, wie Gisela Notz in ihrer Einführung in den Feminismus beschreibt, die sie so auch betitelt: „Feminismus“. Während in den letzten Jahren, ja selbst zum 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages, auch Frauen darüber debattieren, ob der Begriff „Feminismus“ überhaupt noch verwendet werden oder ob besser auf „Gender“ ausgewichen werden solle, legt Notz eine kurze, fundierte und gut lesbare Bestandsaufnahme dieser Bewegung vor, aus der eins deutlich wird: ja, wir brauchen Feminismus. „Gender“, wir alle kennen es aus den verschiedensten Illustrierten, ist zu einem entpolitisierten, institutionalisierten Projekt geworden, bei dem maximal die Frage aufgeworfen wird, wie denn genügend Frauen in Führungspositionen der größten DAX-Unternehmen gelangen. Nebenbei werden dann schnell mal autonome Frauenräume geopfert, erscheinen sie doch nicht mehr zeitgemäß, weil Frauen und Männer doch nun gleichberechtigt miteinander streiten würden.
Schnell lernen wir aus dem, gerade einmal 120 Seiten fassenden Büchlein von Notz, dass beinahe immer, wenn Frauen als Frauenrechtlerinnen und Feministinnen auftraten, ihnen mit Argwohn und massiver Gegenwehr begegnet wurde. „Feminismus“ forderte die bürgerlichen Männerbünde heraus, gleichzeitig wurde er in sozialdemokratischen und sozialistischen Bewegungen als eine Form des Separatismus empfunden – die Gleichberechtigung von Frau und Mann würde in der zu schaffenden sozialistischen Gesellschaft ja ohnehin geschehen, einfach so… Es muss etwas dran sein am Feminismus, was ihn so erschreckend für viele macht – „ein Gespenst geht um“.
Feministinnen haben viel erstritten, in der BRD eben dass Frauen ganz ohne Erlaubnis des Mannes einer Erwerbsarbeit nachgehen können, dass Gewalt gegen Frauen gesellschaftliches Thema ist – auch dann, wenn sie im Privaten ausgeübt wird –, dass der Schwangerschaftsabbruch in einer bestimmten Frist straffrei ist – wenn auch der §218 noch immer existiert –, dass es Frauennotrufe gibt, dass es Kinderläden gibt, dass Frauen sexuell frei und aktiv sei können – und Sexualität nicht mehr nur über die Anwesenheit eines Mannes definiert ist –, und letztlich haben Feministinnen auch erreicht, dass selbst in der zähen Männerdomäne Politik „Gender-Programme“ aufgelegt werden.
Ziemlich erfolgreich diese Feministinnen! Aber wir alle wissen eben auch, wie viel noch zu tun ist, da sich schon jetzt Männer benachteiligt fühlen, obgleich alle Positionen des Staatshaushaltes einzige Förderprogramme für Männer sind – für Männer in der Politik, für Männer in der Wirtschaft, für Männer der Kirche, für Männer im Militär und nun auch für vermeintlich benachteiligte Jungen in der Schule, obgleich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Studien keine Benachteiligung feststellen konnte. Aber auch die konservativen Abwehrhaltungen gegen feministische Forderungen sind nicht neu – und sollten das eigene feministische Streiten nicht vermiesen!
Gisela Notz gibt mit „Feminismus“ eine bestechende und profunde Einführung in Frauenbewegungen und Feminismus. Von Christine de Pizan im 15. Jahrhundert, geht es in einem kurzen Abriss über die Französische Revolution zur Ersten Frauenbewegung, im 19. Jahrhundert. Gleichberechtigt werden bürgerliche und sozialistische Frauenbewegung vorgestellt und es wird klar, warum beide Richtungen bei einigen Forderungen nicht zusammen kamen und bei anderen doch. Während einige Frauen im Ersten Weltkrieg ihr emanzipatorisches Streiten aufgaben und die „Heimatfront“ sichern wollten, engagierten sich andere aktiv in der „Frauenfriedensbewegung“. Notz erläutert, dass die bürgerlichen Frauenvereine dem Nazi-Faschismus keinen Widerstand entgegenbrachten und sich bereits 1933 selbst auflösten, wogegen die sozialistischen und sozialdemokratischen Vereine verboten und verfolgt wurden. Dennoch leisteten Frauen gegen den Nazi-Faschismus aktiv Widerstand. Die zweite, die neue Frauenbewegung seit den 1960er/70er Jahren in der BRD, knüpfte an die erste Frauenbewegung an und erzielte im langwierigen Streiten Erfolge. Notz gibt hier Einblick in die Hauptforderungen, in die wichtigsten Publikationsorgane, in unterschiedliche Strömungen. Und sie zeigt auf, wo heute Handlungsbedarf ist – u.a. wird die Reproduktion der Arbeitskraft noch immer nebenbei und unentgeltlich von Frauen erledigt. Es gibt viel zu tun – das Buch gibt einen guten Start und einen Überblick darüber, was bisher schon geschehen ist. Der Rest liegt an Dir, an uns allen.
Gisela Notz (2011): Feminismus. PapyRossa Verlag, Köln.
131 Seite, ISBN 9783894384531, Preis 9,90 EUR.
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