(von Salih Alexander Wolter, erschienen in „Rosige Zeiten„, Dezember 2010 / Januar 2011, Download des Hefts hier; Veröffentlichung mit freundlicher Zustimmung von Salih Alexander Wolter)
Eine deutlich erweiterte Fassung des Beitrags findet sich unter dem Titel „Türkisch lernen mit Juan Goytisolo“ auf www.salihalexanderwolter.de.
Einer meiner Lieblingssätze von Juan Goytisolo steht in keinem seiner Bücher, sondern in Die brennende Bibliothek von Edmund White, der ihn in den 1980er Jahren für ein Interview im zentralen Pariser Viertel Le Sentier besuchte. Das gilt dem am 5. Januar 1931 in Barcelona geborenen Schriftsteller mit baskischen Wurzeln, der international als einer der innovativsten Romanciers spanischer Sprache mit Preisen bedacht wurde, als „die Definition von Großstadt schlechthin“. Dort war er – mochte er zuletzt auch immer ausgedehntere Reisen in die sogenannte islamische Welt unternehmen – vier Jahrzehnte lang zu Hause: seit er 1956 Francos Spanien verließ, dessen noch vom Bürgerkrieg traumatisierte Gesellschaft und desorientierte Jugend unter dem faschistischen Regime er in seinem Frühwerk schilderte. Er zog bei Monique Lange ein, die der Kommunistischen Partei angehörte und für den Verlag Gallimard arbeitete – wie dann bald auch er, der als Lektor besonders die lateinamerikanische Literatur förderte. Monique, die später selbst als Autorin hervortrat, machte ihren Gefährten mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir bekannt, führte ihn in den Kreis um Marguerite Duras ein und vermittelte ihm die für sein weiteres Leben entscheidende Freundschaft mit Jean Genet. Jahre nachdem Goytisolo ihr offenbart hatte, „völlig, endgültig, unwiderruflich homosexuell“ zu sein, heirateten sie, und erst nach ihrem Tod 1996 sollte er ganz nach Marrakech übersiedeln. Mit White sprach er über die vertraute Umgebung des Paars: „Nachdem so viele Türken in das Viertel gezogen waren, entdeckte ich eines Tages beim Spazierengehen, dass ich nicht verstand, was an die Wände geschrieben war.“ Und es folgt: „Da ich mich in dieses Viertel vollkommen integriert fühle, beschloss ich, das zu tun, was notwendig war, nämlich Türkisch zu lernen.“ Weiterlesen