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Lebensgeschichten von Trans*-Menschen

(von Heinz-Jürgen Voß, zuerst auf www.kritisch-lesen.de)

 

„Ein Junge Namens Sue“ ist ein äußerst wichtiges Buch. Es werden die Lebensgeschichten von fünf ganz konkreten Menschen vorgestellt, die schildern, wie sie zu ihrer eigenen geschlechtlichen Identität gefunden haben. Allen fünf waren dabei auch hormonelle Eingriffe und körperliche Veränderungen wichtig – das muss aber keineswegs auch bei anderen Menschen so sein, doch für Franca, Anton, Rob, Sylvia und Jan war es eben so. Und die Autorin Alexandra Köbele schafft es mit Bravur, ihnen Raum zu geben, ihre Geschichten zu erzählen.

Aktuelle Einordnung

Wichtig ist dieses Buch auch, weil aktuell bezüglich Transsexualität politisch und gesellschaftlich einiges in Gang gekommen ist, aber sich nach wie vor noch schwerwiegende Vorurteile gegen Transsexuelle und Transgender zeigen. So ist den politisch Aktiven gut im Gedächtnis, wie aktuell durch politisches Streiten und Massen-Proteste gesetzliche Änderungen erreicht werden konnten. Bislang war es in Schweden für einen Geschlechtswechsel notwendig, dass der jeweilige Mensch auch sterilisiert wurde. Das ist nun Geschichte. Kurz zuvor wurde eine solche Regelung auch vom Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland kassiert. Auch in der BRD war für die Änderung des Personenstandes im Transsexuellengesetz vorgesehen, dass die Zeugungsunfähigkeit des Menschen herzustellen sei. Dass wurde vom Gericht nun als massiver Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Menschen erkannt und als rechtswidrig eingestuft.

Neben diesen positiven Entwicklungen, die zeigen, was durch politisches Streiten erreicht werden kann, liegt aber weiterhin einiges im Argen. Ist mit diesen Urteilen noch nicht gelöst, dass Transsexualität nicht mehr als Krankheit betrachtet wird, kommen an anderer Stelle Anfeindungen hinzu. Einige sind explizit physisch gewalttätig, andere hetzen schriftlich und liefern damit die Hintergrundmusik für die Schläger. Aktuelles Beispiel ist hier der taz-Autor Jan Feddersen. Fielen er und seine Artikel in den letzten Jahren besonders für antimuslimischen Rassismus auf, äußert er sich nun verstärkt transphob. In vollkommener Verkennung der gesellschaftlichen Realitäten, in denen Trans*-Menschen oft mit massiver psychischer und physischer Gewalt konfrontiert sind, beschreibt Feddersen, dass Trans*-Menschen einer Diskriminierung wegen Homosexualität entgehen wollten und daher ihren Geschlechtswechsel vorantrieben. Vor diesem Hintergrund spricht er sich dafür aus, dass die Hürden für einen Geschlechtswechsel weiter erhöht werden sollten. Er konterkariert damit jedes emanzipatorische Streiten, dass sich gerade darauf richtet, Menschen Selbstbestimmung zu ermöglichen und Zwänge aufzuheben. Stattdessen überträgt Feddersen seinen eigenen Lebensentwurf auf andere Menschen und möchte ihn ihnen mit Zwang überhelfen. Weiterlesen

Pfeifende Dächer. Ein persönlicher Bericht

(von Heinz-Jürgen Voß, erschienen in „Rosige Zeiten“, Juni/Juli 2009)
Gestern Morgen war es
Als ich Dich hörte
Als ich hörte, daß ich Dich liebe
Es pfiffen die Spatzen vom Dach
Weil es doch ungewöhnlich ist
Daß ich Dich liebe
Und nicht eine Andere
Die ich lieben dürfte
Ohne pfeifende Dächer
Weil Sie sich fühlten
Weil Sie mich fremd fühlten

Informationen – Informationen – Informationen stürzen auf mich ein. Ich gewinne fast den Eindruck, dass es da gar nichts anderes mehr gibt. Man nimmt sich eine Zeitschrift hervor und liest sogleich über Krise, über Wirtschaft, über Staat, über Attentate, Amokläufe.

Meine schwule Szene als Zuflucht fällt aus. In einem Gangbang wurde dort einer durchgenommen. Niemand merkte, als er schon tot war.
Ein anderer, schön tief gefistet, ihm ging es auf einmal schlecht, er musste sich übergeben. Er wurde liegengelassen und bei einem anderen weitergemacht, mit Fisten. Immerhin. Etwas später fand man ihn, halb tot, brachte ihn ins Krankenhaus. Eine Tunte hatte ihn gefunden. Tunten sind die letzten verbliebenen Menschen in einer solchen Szene, denke ich für einen Moment. Weiterlesen