(rezensiert von Salih Alexander Wolter, erscheint in „Rosige Zeiten“ (Nr. 128, April/Mai 2010, vorab online mit freundlicher Genehmigung der Redaktion)
Cem Yildiz ist in Berlin-Schöneberg zu Hause, wo Trends für den schwulen Mainstream der Bundesrepublik gesetzt werden – nur beruflich war er lange Zeit „vom Outfit her eher Neukölln“ (S. 24). Heute ist er 31 und absolviert eine Ausbildung zum Heilpraktiker. Er bekundet, selbst nie ein Problem damit gehabt zu haben, auch auf Männer zu stehen, und sagt, er raste aus, wenn er mitbekomme, dass „Homos zusammengeschlagen, bedroht und blöd angemacht“ werden (S. 39). Wenn es ungewollt geschieht, wäre hinzuzufügen. Denn mit seinem Bericht Fucking Germany. Das letzte Tabu oder Mein Leben als Escort bietet er eine gänzlich andere als die in den Medien gepflegte Perspektive auf das Thema „Schwule als Opfer“ bzw. „hypermaskuline Jugendliche nichtdeutscher Herkunft“ als Täter. Doch Yildiz kann auf zuverlässiges empirisches Material zurückgreifen: Über ein Jahrzehnt gab er – der „kein Akademikerkind“ ist, aber „auch nicht aus einer Problemfamilie“ stammt (S. 216) – auf Bestellung „den ‚authentischen‘ knallharten Türkenmacker von der Straße“ (S. 13), in Berlin und auf Kurztrips auch andernorts im Land. Bezahlt wurde er dafür vor allem von homosexuellen Männern, und besonders gern buchten die ihn für die „Ghetto-Nummer“ (S. 24) – inszenierte Überfälle mit anschließender brutaler Vergewaltigung. Seine Erfahrung: „Je krasser die Filme und Klischees, die sie im Kopf haben, desto höher die Nachfrage nach dem wilden, gewalttätigen Ali.“ (S. 64) Weiterlesen