Tag Archiv für desertion

„…und wenn sie mich an die Wand stellen…“ – Buch zu Desertion (gerade auch mit Bezug zu Männlichkeiten) von Ralf Buchterkirchen

(zuerst auf www.verqueert.de)

 

“… und wenn sie mich an die Wand stellen” – Desertion, Wehrkraftzersetzung und “Kriegsverrat” von Soldaten in und aus Hannover 1933-1945
von Ralf Buchterkirchen

„Schade, dass es ihn nicht erwischt hat!“ Diese spontane Reaktion auf die Meldung über das misslungene Attentat auf Adolf Hitler kostet Hubert Breitschaft das Leben. Der Lehrer aus dem bayrischen Cham wird vom Feldgericht verurteilt und in Hannover-Vahrenwald erschossen.
Der Hannoveraner Robert Gauweiler, dem zur Last gelegt wurde, im Kameradenkreis gesagt zu haben: „Diesen Krieg verlieren wir“, wird von der Wehrmachtsjustiz in Dänemark zum Tode verurteilt und in Hamburg erschossen. So wie Breitschaft und Gauweiler erging es vielen. Die NS-Militärjustiz verhängte etwa 30.000 Todesurteile gegen Soldaten, die den Gehorsam verweigerten; mindestens 21.000 wurden vollstreckt.
Für Hannover – einen der fünf wichtigsten Rüstungsstandorte – hat dieses Kapitel der deutschen Geschichte besondere Relevanz. Am Waterlooplatz wurden Soldaten durch die Militärgerichtsbarkeit verurteilt, in Hannover-Vahrenwald, auf dem Gelände, wo sich heute die Emmich-Cambrai-Kaserne befindet, wurden sie hingerichtet und auf dem Fössefeldfriedhof in Hannover-Linden begraben. In jahrelanger Recherche wurden die Daten von 51 gehorsamsverweigernden Soldaten ermittelt, die aus Hannover kamen oder dort hingerichtet wurden. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Diese Soldaten sind die Hauptpersonen des vorliegenden Buches.
Statt sie anzuerkennen, wurden sie nach dem Zweiten Weltkrieg verunglimpft, ihr Schicksal verschwiegen und verdrängt. Bis zum Jahr 2009 hat es gedauert, dass der Bundestag auch wegen Kriegsverrats Verurteilte rehabilitierte. In den Jahren zuvor wurden bereits Verurteilungen durch die Wehrmachtsjustiz wegen Desertion und Wehrkraftzersetzung für nichtig erklärt.
Eingereiht in eine Beschreibung der gesellschaftlichen und politischen Situation und im Anschluss auch an neuere Erkenntnisse der Geschlechter- und Männlichkeitsforschung wird nach den individuellen Beweggründen der Gehorsamsverweigerung gesucht. Herausgekommen ist eine facettenreiche Darstellung eines viel zu gern vergessenen Stücks deutscher Geschichte.
In Hannover erinnert heute nur ein fast nicht mehr kenntlicher Stein an das Schicksal der Deserteure.

 

178 Seiten, Paperback, 13,90 €,
ISBN: 978-3-930726-16-5
Inhaltsverzeichnis und Einleitung (pdf)
Kontakt zum Autor

 

Rezensionen:

“Ralf Buchterkirchen gelangt in seinem […] Buch […] auf einem ganz anderem Weg zum Thema Desertion als sonst üblich. Er wählt den Ausgangspunkt Männlichkeitsentwürfe und macht deutlich, wie anknüpfend an Drangsalieren von jungen Männern in Preußen, im Nationalsozialismus „Manneszucht“ zentral gesetzt wurde. „Moral, Disziplin und Kameradschaft“ wurden unter dem Begriff „Manneszucht“ zusammengedacht, Militär, Männlichkeit und Bürgerrechte eng miteinander verzahnt.” –maedchenblog.blogsport.de, 3. Januar 2011

“Ob der Deserteur ein Held oder ein Feigling ist, hängt von der Sichtweise der politischen Gesinnung ab. Diejenigen, die sich dem Krieg entzogen haben, hatten während der Nazizeit die Repressionen der Militärjustiz zu fürchten. Für die Antifaschischten waren sie jedoch Helden. Wie aber gingen sie selbst mit diesen Stereotypen um, wie und warum haben sie den Gehorsam verweigert? Diesen und anderen Fragen geht der Autor Ralf Bucherkirchen in seinem Buch […] nach”. –Stuttgarter Nachrichten, 9.1.2012

“Ihm gelingt es so in seinem Buch, all diese Themen zusammenzutragen und damit deutlich zu machen, welche Bedeutung die Desertion im II. Weltkrieg und aktuell hat als „Tat gegen die militärische Logik“. Kurz gesagt: Ein lesenswertes Buch.” Rudi Friedrich, KDV im Krieg 02.02.2012und hier

“Die vorliegende Arbeit von Buchterkirchen ist viel mehr als nur eine lokale oder regionale Untersuchung. […] Wer nicht die umfangreichen Arbeiten von Wette, Wüllner, Messerschmidt und anderen studieren will, findet hier eine vorzügliche Einführung und Übersicht über die verbrecherische Tradition der Militärjustiz..” — Ulrich Finckh, Friedensforum 01/2012 hier nachzulesen Weiterlesen

Für die Wahrheit in der Todeszelle Der Fall Bradley Manning

(Der folgende, sehr lesenswerte Beitrag wurde von Lena verfasst und ist in der Zeitschrift „utopia – herrschaftslos gewaltfrei“ (Nr.19, Sommer 2011; www.jugendzeitung.net) erschienen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Lena und der Redaktion für das Einverständnis zur Zweitveröffentlichung! — Im Übrigen ist die gesamte Ausgabe sehr lesenswert!)

 

 

Free Bradley Manning!Bereits im Mai 2010 wurde der 23-jährige Bradley E. Manning unter dem Verdacht, wichtige Geheimdokumente an die Enthüllungsplattform WikiLeaks weitergegeben zu haben, verhaftet. Seitdem sitzt er in einem Hochsicherheitsgefängnis der USA – ihm droht die Todesstrafe.

Hintergrund
2007 begann Mannings Karriere bei der US-Armee. Über das Rechnernetz des Außen- und Verteidigungsministeriums hatte der ausgebildete Nachrichtenanalyst über mehrere Monate Zugriff auf geheime Dokumente.
Am 22. Mai 2010 meldete der als Hacker bekannt gewordene Adrian Lamo, dass Manning ihn in einem Chat kontaktiert und sich mit den ihm zugänglichen Staatsgeheimnissen gebrüstet habe. Lamo schaltete nach drei Tagen US-Staatsschützer ein, die ab sofort die digitalen Gespräche mitgelesen haben. Am 26. Mai wurde Bradley Manning während seiner Stationierung in Irak festgenommen.

Verlauf der Anklage
Dem amerikanischen Soldaten wird vorgeworfen, Informationen zur nationalen Verteidigung an eine nicht befugte Quelle übermittelt zu haben, hierunter Videoaufnahmen, die von WikiLeaks für das Collateral-Murder-Video verwendet wurden und die Depeschen (Cables) der amerikanischen Botschafter.  Diese Dokumente erfuhren durch die massive Verbreitung mittels WikiLeaks  eine enorme mediale Bedeutung und wurden in der ganzen Welt wahrgenommen. Bereits zu diesem Zeitpunkt drohten Manning 52 Jahre Haft.
Im Dezember 2010 soll Manning laut der britischen Tageszeitung The Independent ein „Plea Bargaining“, also ein Verhandeln der Schuld, angeboten worden sein. Dieses Verfahren sollte dem bisher nicht kooperierenden Angeklagten eine Aussage zur Anstiftung durch Julian Assange entlocken und ihm die Haft erleichtern. Assange, der Gründer von WikiLeaks, behauptet, noch mehrere geheime Dokumente in der Hinterhand zu haben, die den USA Schaden zufügen könnten.
Am 2. März 2011 wurde Manning, der neben der amerikanischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt,  in 22 weiteren Punkten beschuldigt. Der schwerwiegendste Punkt, die „Kollaboration mit dem Feind“, könnte für den 23-Jährigen die Todesstrafe bedeuten. Weiterlesen