Wahlfälschung in Schleswig-Holstein

  1. …diese Überschrift wurde nicht genutzt, als in Schleswig-Holstein das jetzige Bündnis aus FDP und CDU über Wahlfälschung zunächst einen Vorsprung gegenüber den übrigen Parteien von drei statt nur einer Stimme im Landesparlament erhielten. In einem Wahlkreis musste – durch gerichtliche Anordnung – nachgezählt werden, weil sich eine merkwürdige Diskrepanz zwischen dem Ergebnis der Erst- und Zweitstimmen für die Linkspartei aufgetan hatte. In diesem Wahlkreis lagen klare Indizien für die Falschauszählung der Stimmen zu Gunsten der FDP vor, so konnte gerichtlich die Neuauszählung veranlasst werden. Die Unsicherheit bleibt: Wie kreativ wurde in anderen Wahlkreisen gezählt – wurde dort möglicherweise auch gefälscht und nur auf ein stimmigeres Ergebnis aus Erst- und Zweitstimmen geachtet? Wie sieht es bei den übrigen Landtagswahlen aus? Was geschieht bei den wesentlichen bedeutsameren Bundestagswahlen? Ist Angela Merkel eher als Machthaberin zu bezeichnen, als als demokratisch gewählte Regierungschefin?
  2. Eigentlich hätte von einem großen Coup für die Demokratie die Rede sein müssen, als wikileaks.org 75000 von 90000 Dokumenten, die ihnen zum Krieg in Afghanistan zugespielt worden waren, uns allen frei zugänglich machte. Aus diesen Dokumenten geht eine ganz andere Lage hervor, als Angela Merkel, Guido Westerwelle und Karl-Theodor zu Guttenberg zu vermitteln suchen. Oft sind bei den von den Koalitionstruppen geführten Angriffen zivile afghanische Opfer zu beklagen, oft sind darunter Kinder. Das Bild der befreienden westlichen Armeen, das uns lange vermittelt wurde, existiert in der afghanischen Bevölkerung nicht. Stattdessen wird den Soldat_innen der Koalitionstruppen wegen ihres Auftretens und der vielen zivilen Toten mit äußerster Distanz und Skepsis begegnet. Aber anstatt dass Stimmen aufkamen, die diesen demokratischen Zugewinn an Wissen begrüßten, wurde wikileaks.org sogleich vorgeworfen, dass das Leben von Soldat_innen gefährdet würde. Selbst von der Opposition im Deutschen Bundestag wurde nur vereinzelt angeprangert, dass der Bundestag auch vor der Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr über die Lage in Afghanistan falsch informiert worden war. Warum fordern wir nicht umfassende demokratische Information und prangern an, wenn sie uns nicht gewährt wird?
  3. Pfeifen soll man nicht mehr dürfen – nun soll auch die Lautstärke bei Demonstrationen begrenzt werden. Nachdem man in Hannover bereits jetzt selbst für kleinste politische Demonstrationen Auflagenbescheide von einer Länge von 17 Seiten erhielt, nachdem selbst für Informationstische bei politischen Kundgebungen Standgebühren bezahlt werden sollen, soll nun auch die Lautstärke auf Demonstrationen verringert werden. Lautsprecher sind ohnehin erst ab einer Anzahl von 50 Demonstrierenden zugelassen – und um eine solche kleine Demonstration handelte es sich, aus der dieser Schluss zur Beschränkung der Lautstärke gezogen wurde. Demonstrierende pfiffen mit Trillerpfeifen vor einer Kirche, in der gerade ein Militärkonzert der Bundeswehr stattfand. Die Demonstrierenden wollten die Kirchengemeinde erreichen, weil sie meinten Kirche und Krieg passten nicht zusammen. Dumpf und leise waren die Pfiffe im Inneren der evangelischen Kirche zu hören. Selbst Trillerpfeifen sind der Polizei und dem städtischen Ordnungsamt noch zu laut, wenn es um andere politische Sichtweisen geht. Aber: Eine Demonstration findet doch gerade statt, damit auch andere Menschen von einem Missstand, der eigenen politischen Sichtweise etc. erfahren. Wollten sich die Demonstrierenden selbst unterhalten, würden sie sich ja möglicherweise woanders – in den gemieteten eigenen vier Wänden – treffen…
  4. Als schwul und lesbisch noch dreckig war und nicht legal gezeigt werden sollte, kam es in der Bundesrepublik Deutschland von staatlicher Seite nicht selten zu Übergriffen, u.a. auf Christopher Street Days. Polizisten zogen Menschen nackt aus und sie drohten zumindest mit Gewalt, wandten sie aber auch an. Nun ist schwul anerkannt, Demonstrationen dürfen groß und bunt und laut sein, Polizist_innen werden nur noch in geringem Maße eingesetzt. Mittlerweile geht es aber auch um eine Außenwerbung der Städte, will die Bundesrepublik Deutschland ihre kürzlich erkannte Homophilie als Exportgut vermarkten. So stört nun schon Judith Butler wenn sie einen Zivilcouragepreis ablehnt, weil sich Rassisten unter den Organisator_innen des Berliner Mainstream-CSD befinden. Deutlich wird hier, wie relativ Demokratie verhandelt wird: Eine Demonstration die politisch in den Kram passt, wird hofiert. Wer eine politisch andere Auffassung vertritt hat in der Bundesrepublik Deutschland mit viel Polizei, mit Auflagen zu rechnen, noch immer werden Menschen auf Polizeiwachen nackt ausgezogen und erkennungsdienstlich behandelt. Wie in Hannover geschehen, werden diese Menschen danach sogar psychisch verwirrt und nackt wieder ausgesetzt, sie werden nicht einmal in medizinische Betreuung gegeben. Diesen Juli mussten Teilnehmer_innen bei einer queeren Demonstration gegen rechts Fußtritte und Schläge von Seiten der Polizei über sich ergehen lassen. Auffallend viele Opfer der Übergriffe der Polizist_innen sind klein und schmächtig. Aber: Was nutzt Demokratie, wenn sie nur für die gilt, die politisch der gleichen Meinung sind – und wenn politisch Andersdenkende kriminialisiert werden, wesentlich schlechtere Bedingungen für Demonstrationen haben, sogar von Politist_innen misshandelt werden?

Wann fragen wir bei politischen Ereignissen wieder nach, zum Beispiel schon warum einmal jemand als „Regierungschef“, einmal als „Machthaber“ bezeichnet wird? Wann fragen wir, warum sich die Bundesrepublik Deutschland gerade die Überwachungsmaßnahmen und Restriktionen der Deutschen Demokratischen Republik zu eigen macht, anstatt beispielsweise das dort entwickelte Bildungssystem zu übernehmen, das auch das Finnische ist? Wann fordern wir Demokratie ein, auch für die die anders denken?

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