Tag Archiv für nationalismus

Pink Washing Germany? Der deutsche Homonationalismus und die »jüdische Karte« (Koray Yılmaz-Günay & Salih Alexander Wolter)

Sehr lesenswerter Beitrag – als erster Vorgeschmack auf ein sehr sehr tolles Buch, das Anfang 2013 erscheint (Duygu Gürsel, Zülfukar Çetin, Allmende e.V.: Wer macht Demo_kratie. Kritische Migrationsforschung. ISBN 978-3-942885-34-8 (edition assemblage)):
Pink Washing Germany? Der deutsche Homonationalismus und die »jüdische Karte« (Koray Yılmaz-Günay & Salih Alexander Wolter)

Die Party und der Holocaust

Wie in der gesamten westlichen Welt wird auch in Berlin in jedem Juni Gay Pride zelebriert. Der »offizielle« Christopher Street Day (CSD) ist das Großereignis der schwul-lesbischen Community in der deutschen Hauptstadt, an dem neben landes- und bundespolitischer Prominenz neuerdings sogar die Botschafter der USA und Großbritanniens teilnehmen. Als die Parade 2012 auf ihrem Weg zum Brandenburger Tor am Denkmal für die ermordeten Jüd_innen Europas vorbeizog, stellten die Discotrucks aus Respekt vor den Opfern des deutschen Genozids an den europäischen Jüd_innen kurzzeitig die Musik ab. Obwohl »die Stimmung während Umzug und Abschlusskundgebung toll« gewesen sei, verzeichnete später auch das queere Stadtmagazin Siegessäule an diesem Punkt »vereinzelte Kritik« und zitierte stellvertretend aus der Menge der »rund 700.000 Teilnehmenden« eine Konstanze, die fand: »Die Stille macht zwar Sinn, hat aber ein bisschen die Party gekillt« (Sauer 2012). Anders hatte es wenige Stunden nach der Veranstaltung jemand unter dem Nick Eigentlich 22 auf der Website der taz festgehalten: »Da ging das Gegröle los: ›Scheiß Juden! Juda verrecke! Waren doch nur drei Millionen!‹ (Es waren mehr, aber so wurde es gerufen.)« …weiter auf der Homepage von Salih Alexander Wolter

Vorhautbeschneidung bei Jungen: Weg von Vorannahmen, hin zu fundierter Diskussion.

(von Heinz-Jürgen Voß; als pdf-Datei)

Ich habe in den vergangenen Wochen intensiv die Debatten um die Vorhautbeschneidung bei Jungen verfolgt. Ich hätte mir gewünscht, dass ein ähnlich intensives Streiten bzgl. der medizinischen Gewalt gegen Intersexe stattgefunden hätte. Im Gegensatz zur Vorhautbeschneidung bei Jungen kämpfen hier seit Jahrzehnten Menschen gegen die als grauenvoll empfundenen Behandlungen und ihre Folgen.

Bzgl. der Vorhautbeschneidungen bei Jungen gibt es im deutschsprachigen Raum dieses Streiten von selbst betroffenen Menschen hingegen nicht. Aber statt das als Hinweis zu nehmen, dass hier kein solches Streiten erforderlich ist oder dass es etwa nicht so dringlich ist, wurde argumentiert, ‚die beschnittenen Männer wüssten ja nicht, was ihnen bzgl. Sensitivität entgehe‘. Das eigene Empfinden und die eigene Vorannahme wurde auf andere Menschen übertragen – ein Vorgehen, dass nicht zuletzt durch Sexualwissenschaft, Gender und Queer studies und Intersektionalitätsforschung als inakzeptabel erwiesen ist.

Die Debatte ist aufgeladen, gerade weil vom Kölner Landgericht ein Urteil gefällt wurde, was gut in den strukturellen Rassismus in der Bundesrepublik Deutschland passt. Aber das sollte nicht zu voreiligen Kurzschlüssen verleiten, sondern gerade als Forderung an Wissenschaftler_innen und gut informierte Interessierte verstanden werden, genau nachzuschauen, nachzufragen und zu analysieren.

Zur Kenntnis zu nehmen ist dabei: Weiterlesen

No border, no nation, stop deportation!

Heute demonstrierten in Hannover mehrere hundert Menschen gegen die menschenunwürdige Asyl- und Abschiebepraxis in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Niedersachsen. Anders als in anderen Bundesländern erhalten Asylsuchende in Niedersachsen beispielsweise noch immer Gutscheine für Lebensmittel, statt Bargeld. Nicht davon abgedeckt werden können u.a.Fahrkarten für Busse und Bahnen. Damit sind beispielsweise zahlreiche Bildungsangebote nicht zu erreichen, der Aufbau von Freundschaften und Bekanntschaften wird erschwert. Ausgezahlt werden lediglich 40 EUR im Monat an Erwachsene, 20 EUR an Kinder und Jugendliche. Allein Sprachkurse kosten – selbst wenn sie sich explizit an Asylsuchende richten – ein Vielfaches davon.

Die Situation von Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland und mit besonderer Intensität in Niedersachsen ist unmenschlich. Sie schließt sich an in den meisten Fällen äußerst traumatisierende Erfahrungen im Herkunftsland und auf der Flucht an. Etwa 40 Prozent der Flüchtlinge sind so schwer traumatisiert, dass sie dringend psychologische Hilfe benötigen. Doch auch diese wird kaum gewährt – oder kann eben auf Grund mangelnder finanzieller Mittel für die Fahrkarten nicht in Anspruch genommen werden. Oft fehlen zudem psychologische Angebote in der Erstsprache und Dolmetschdienste – und dabei sind gerade für die Aufarbeitung von Traumatisierungen erstsprachliche Angebote (oder zumindest geschulte Dolmetsch-Dienste) erforderlich. Die Residenzpflicht verhindert, dass Psycholog_innen in anderen Orten aufgesucht werden können. Und sie verhindert unter anderem auch, dass Familien miteinander in Kontakt stehen – denn die deutsche Asylpraxis verbringt Menschen aus der gleichen Familie oft in unterschiedliche Bundesländer und Städte, zudem meist in äußerst schreckliche Heime am Stadtrand oder im Wald (vgl. etwa Tobias Pieper „Die Gegenwart der Lager“).

Durch die unmenschliche Unterbringungspraxis werden die traumatisierenden Erlebnisse aus dem Herkunftsland und der Flucht noch verstärkt. Es wird stets vermittelt, dass Menschen nicht willkommen sind, Familien werden auseinander gerissen, eine ausreichende (und individuell abgestimmte, zum Beispiel auf Alergien reagierende) Ernährung verhindert. Hinzu kommt der tagtäglich erlebte direkte Rassismus im Umgang mit einigen Mitarbeiter_innen von Behörden und in der Gesellschaft.

Gegen diese unmenschliche Politik gibt es Proteste – auch in deiner Stadt!

Bleiberecht für alle – jetzt, sofort!

Mehr Informationen gibt es beim FLÜCHTLINGSRAT NIEDERSACHSEN – und hier zwei sehr gute Musikvideos, die die Situation ebenfalls wesentlich besser deutlich machen als dieser kurze Text – von MC NURI

 

 

Veranstaltungen gegen die militaristische Feier der 1. Panzerdivision in Hannover

In Afghanistan macht sie Krieg, in Hannover feiert sie: die 1. Panzerdivision. Was gern als „schönes Gartenfest“ bezeichnet wird, findet vor dem Hintergrund getöter Menschen in Afghanistan statt. Gegen den Krieg, gegen das militaristische Feiern und gegen den deutschen Militarismus gibt es seit Jahren in Hannover Widerstand: Die Proteste gegen das „Sommerbiwak“.

Als Gegenveranstaltung zum militaristischen Sommerbiwak findet das „Friedensbiwak“ statt. Dort werden jedes Jahr aktuelle friedenspolitische Themen diskutiert. In diesem Jahr findet es mit dem Thema „Mit deutschen Waffen sterben Menschen in aller Welt – Rüstungsexporte stoppen!“ statt.

Es referiert: Niels Dubrow, Rüstungsexperte und Waffenanalyst
Datum und Ort: 22. Juni 2012, 18.00 Uhr, Pavillon (Hannover)

Ankündigung: Die Bundesrepublik Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur weltweit. Neben Panzern und anderen Großwaffen stellen gerade Minen und Kleinfeuerwaffen und deren Export ein Problem dar. Der Export geht in alle Welt — nach Afrika, Asien, Amerika, Europa. Er geht selbst in unsichere Regionen und teilweise selbst in solche, die von einer Ausfuhrgenehmigung explizit ausgeschlossen sind (vgl. Bundestags-Drucksache 17/4677). Bei dieser Veranstaltung stehen ausgehend von einer Erörterung der Rüstungsexporte die Interessen der deutschen Außenpolitik im Blickpunkt. Es referiert der Experte für Rüstungsexporte Niels Dubrow, der unter anderem den „Rüstungsatlas Bodensee“ (2010) erarbeitet hat.

Eine Veranstaltung von Friedensbüro Hannover e.V., DFG-VK Hannover, in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen. Weitere Informationen: http://fbh.frieden-hannover.de .

Gay Nationality? – oder: Patrioten sind Idioten, auch wenn sie lesbisch oder schwul sind!

Autorin: Heinz-Jürgen Voß

# 1 # Queer Nation und ein neues ‚Magnus-Hirschfeld-Institut‘
Endlich sind wir angekommen!! *yeah* Es hat sich ein breites Bündnis gebildet, Namens ‚Queer Nations‘, dass den Wiedergründung des Magnus-Hirschfeld-Institutes fordert (dieses Sexualwissenschaftliche Institut war 1933 im Nationalsozialismus von der deutschen Bevölkerung geplündert und zerstört wurden). Mit interdisziplinärer Forschung könnten dort gesellschaftliche Vorurteile u.a. gegenüber Leseben und Schwulen abgebaut werden und Sexualaufklärung betrieben werden. Prompt kommen aus allen politischen Lagern Jubelschreie. Wenn dies von CDU bis Linkspartei einhellig der Fall ist, sollten wir bewegt sein, genauer hinzuschauen: Warum kommt eine solche Initiative jetzt – erst 73 Jahre nach Plünderung und Zerstörung? Wer und was verbirgt sich hinter dieser Initiative? Warum die Namensanleihe bei ‚Queer Nations‘? Weiterlesen

Liebe Eltern, Ihr Kind ist nicht ‚weiß‘ genug. Ein Beitrag zur Elterngeld-Debatte

Autorin: Heinz-Jürgen Voß

 

Die konservative Regierung der Bundesrepublik Deutschland beginnt von Schweden zu lernen. So weit, so gut erst einmal. Eltern sollen zwölf Monate lang ein Elterngeld erhalten, dass 67 % des letzten Netto-Einkommens entspricht. Wenn beide Elternteile die Kinderbetreuung übernehmen, kommen weitere zwei Monate Elterngeld hinzu. Damit haben CDU/CSU und SPD die Tür zu einer stärkeren Verantwortung beider Elternteile für die Babybetreuung einen Spalt weit aufgestoßen. Bei der z.T. sehr konservativen Klientel, die auch im 21. Jh. noch das Prinzip ‚der Mann geht arbeiten, die Ehefrau ist seine unentgeltliche Haushälterin’ vertritt (analog gilt das natürlich auch für zahlreiche Lesben und Schwule), ist das durchaus eine bemerkenswerte Leistung. Elterngeld sollen nach dem vorgestellten Kompromis auch ALG II EmpfängerInnen in einer Höhe von 300 Euro erhalten, die nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden sollen. Noch eine Kröte für die erzkonservative Klientel: auch Alleinzerziehende sollen das Elterngeld über einen Zeitraum von vierzehn Monaten erhalten.*

Im gleichen Atemzug hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ein ‚Bündnis für Erziehung’ ins Leben gerufen, zu dem sie neben sich selbst nur die katholisch- und evangelisch-christlichen Kirchen eingeladen hat. In diesem Bündnis sollen Möglichkeiten vorschulischer Erziehung und die Vermittlung christlicher Werte diskutiert werden. Nach den Worten von von der Leyen hätten gerade die christlichen Kirchen aus ihrer Erfahrung heraus etwas zur moralischen Erziehung der Kinder beizutragen und stellten sie 72 Prozent der von freien Trägern unterhaltenen Kindertagesstätten. Andere Kirchen und andere freie Träger waren nicht geladen. Weiterlesen

Lieber ein warmer Bruder als ein Kalter Krieger! Geschlechterrollen und Militarismus

„Ob er nun in Kroatien, Bosnien, Serbien, in Indochina oder Uzbekistan kämpft, ob Befreiungskämpfer oder Imperialist, der Krieger vergewaltigt Frauen. Er fühlt es in seinem Kopf, in seinem Gewehr und in seinem Sexualorgan: die Zivilisation ermutigt ihn, genau das zu tun. […] Es geht weniger um die ‘Wiederherstellung’ des Kriegers, denn um die Selbstvergewisserung der eigenen Macht, und die Befriedigung des Gefühls, zu den wahren Männern zu gehören.“ Lepa Mladjenovic

Krieg und Vergewaltigung, Militär und Prostitution gehören nach Meinung vieler Antimilitaristen untrennbar zusammen, womit dann auch häufig schon die Analyse aufhört. Es ist ein leichtes sich von einem solchen „Bild des Mannes“ zu distanzieren und sich damit einer weiteren Beschäftigung mit Männlichkeit und Militär zu entziehen. Ist Macht- und Gewaltstreben wirklich so untrennbar an den „(harten) Mann“ gebunden? Welchen Einfluss hat die Bundeswehr damit auf den Gewaltpegel in der Bevölkerung? Und welchen Einfluss hat die Öffnung der Bundeswehr für Frauen, das Verbot der Diskriminierung von Lesben und Schwulen – Kommt damit endlich auch „Gefühl“ in die Truppe? Oder sind das alles überkommene Rollen – die gefühlvolle Frau und der kämpferische Mann? Weiterlesen