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Maneo: Opfertelefon auf Feindbildsuche

(von Ralf Buchterkirchen; aus: „Rosige Zeiten“, Oktober/November 2007)

 

Pünktlich zum Tag gegen Homophobie hat die Berliner schwule Opferberatungsstelle und Notfalltelefon Maneo das Ergebnis einer anonymen Internetbefragung vorgestellt. Von den 24.000 TeilnehmerInnen der Befragung gaben 35% an, in den letzten 12 Monaten Ofer homophober Gewalt geworden zu sein. Besonderer Schwerpunkt in der Pressearbeit und der Studie wurde auf die Feststellung verwendet, das – obwohl nicht explizit abgefragt – von knapp 16% der Opfer „nichtdeutsche Täter“ genannt wurden. Auf diese TäterInnengruppe beschränken sich die weiteren Ausführungen von Maneo. Hingegen finden die 33% TäterInnen aus dem näheren Umfeld – also FreundInnen, Verwandte, KollegInnen, MitschülerInnen (hetero- oder homosexuell) – in der Pressearbeit von Maneo keine weitere Erwähnung. Dies obwohl bei den Befragten unter 18 Jahren diese TäterInnengruppe aus dem näheren Umfeld gar 70% der Übergriffe ausmacht! Der weiteren Betrachtung auch nicht würdig befindet Maneo rechtsradikale homophobe Gewalt, die immerhin einen Anteil von 7% der aufgeführten Gewalttaten ausmacht.

Betrachten wir die Gruppe der „nichtdeutschen Täter“ genauer: Obgleich Maneo an keiner Stelle anführt, wie diese Gruppe definiert wird, werden sogleich weitreichende Schlüsse abgeleitet – die Integrationskonzepte, das Nebeneinander von Lesben, Schwulen auf der einen und MigrantInnen auf der anderen Seite sei gescheitert. Für eine Relativierung der TäterInnenschaft sei kurz die Statistik bemüht: Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) vom 5.8.2007 haben knapp 20% aller in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen einen sogenannten Migrationshintergrund. Es kann also gar nicht von einem besonders großen Anteil „nichtdeutscher Täter“ gesprochen werden – diese Täterinnengruppe ist, um es zynisch auszudrücken (aber auch zynisch sein darf mensch zuweilen, um sich gegen Rassismus zu wehren), sogar unterrepräsentiert. Hinzu kommt, dass sich eine Gesellschaft mit vermeintlich einfachen Zuschreibungen häufig eigener Versäumnisse entledigen will: denn auch aus der Gruppe „nichtdeutscher Täter“ dürften die meisten Menschen in der Bundesrepublik Deutschland geboren und sozialisiert wurden sein – aber das nur eine Randbemerkung, die sich in der vermeintlich wissenschaftlichen Studie Maneos ebenfalls nicht findet. Die Studie ist leider bereits jetzt vielzitiert (auch in der ROZ als Randnotiz) und passt sich als vermeintlich wissenschaftliche Untermauerung in die rassistischen Kampagne von LSVD und Co der letzten Jahre ein: Menschen mit „Migrationshintergrund“ werden unter Pauschalverdacht der Homophobie gestellt. Weiterlesen