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Michal Witkowski: Lubiewo

(übersetzt aus dem Polnischen von Hauptmeier; die Rezension ist erschienen in „Rosige Zeiten – das regionale Magazin aus Oldenburg für Lesben und Schwule“, 116, Juni/Juli 2008, online unter: http://www.rosige-zeiten.net)
„Also gut, Herr Journalist, der Park wird Klappe oder Boulevard genannt. Wenn man dort herumstreunt, dann heißt das Durch-die-Büsche-Ziehen. Die Klappe dient zur Anmache. Das heißt: zum Aufreißen. Zwecks Blasen. Das heißt: Lutschen. Diese Parks hat es immer gegeben, seit ich lebe und Schwänze lutsche, also seit vor dem Krieg. Früher zog sich die Klappe durch die ganze Stadt, und genau so sollte dein Roman über uns beginnen. ‚Die Gräfin verließ das Haus um halb zehn‘ und ging in den Park, denn zehn Uhr abends ist die beste Zeit für einen kleinen Schwengel.“ (S.19) Patrycja und Lukrecia klären Michal so liebevoll auf, obgleich sie wissen, dass er es gar nicht nötig hat. Michal kennt sich bestens in der Szene aus, Michal, der nun einen Roman schreibt, in dem sie endlich im Mittelpunkt stehen dürfen und dies sichtlich genießen. „Lubiewo“ heißt der Roman, benannt nach dem Badestrand an der polnischen Ostseeküste. In Krakau in Polnisch veröffentlicht und dort nun mittlerweile in der 7. Auflage erschienen, liegt nun eine deutsche Übersetzung vor, die sich aufmacht ebenso gut verkauft, das deutsche Bild von polnischen Schwulen umzukrempeln: polnische Schwule sind nicht diese leidvollen Gestalten, die stets und von allen unterdrückt nach deutscher Unterstützung lechzen. Sie haben Freude, sie haben Sex, sie benutzen die echten Hetero-Kerle, sie sorgen sich um das materielle Auskommen, sie gehen in die Kirche, sie geben Kontaktanzeigen auf, sie vergehen sich, sie verachten, sie werden auch mal ermordet. Das es gar kein solches „sie“ – „die“ polnischen Schwulen – gibt, dafür ist der Roman bestes Belegstück: das schwule Polen. Weiterlesen

Hedwig Dohm: „Die Antifeministen“

(Erschienen: 1902; Reprint: 1976; Digitale Bibliothek: 2004)

 

„Die Frauenfrage in der Gegenwart ist eine akute geworden. Auf der einen Seite werden die Ansprüche immer radikaler, auf der anderen die Abwehr immer energischer. Letzteres ist erklärlich. Je dringender die Gefahr der Fraueninvasion in das Reich der Männer sich gestaltet, je geharnischter treten die Bedrohten entgegen.“ (S.3) Dohm war eine derjenigen, die sich aus wissenschaftlicher Perspektive zur „Frauenfrage“ um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jh. äußerten. Sie nahm vehement Stellung für die Sache der Frauen, die eigentlich die Sache aller Menschen sein sollte. Dohm stellte heraus, dass Frauen gerade durch den – gesellschaftlich erzwungenen – Nichtgebrauch des Gehirns versimpeln würden, und trat mit diesem Argument der These entgegen, dass die Frau „von Natur aus“ in ihren geistigen Fähigkeiten beschränkt sei. Diese These war in der damaligen Biologie und Medizin verbreitet: ein wirkliches weibliches Talent hielt bspw. P. J. Möbius (bekannt geworden durch seine antifeministische und bis ins 21. Jh. verbreitete Schrift: „Der physiologisches Schwachsinn des Weibes“, Erstveröffentlichung 1900) für einen Hermaphroditismus. Ein eigentlich männlicher Charakter trete bei der Frau auf (S.70). Dohm: „Nachdem der schöne alte Herr Möbius dem Weibe die lange Liste ihrer tierähnlichen Qualitäten entrollt hat, setzt er mit goldiger Naivität hinzu: ‚Sehen wir uns auch genötigt, das normale Weib für schwachsinnig zu erklären, so ist damit doch nichts zum Nachteil des Weibes gesagt.’ Kleiner Schäker!“ (S.67) Reich belesen, fachlich fundiert und dennoch mit reichlich Humor konterte Dohm auf frauenfeindliche Schriften u.a. des benannten Möbius aber auch von G. Ferrero / C. Lombroso, T. L. W. von Bischoff und L. Hanson (sie schrieb unter dem Pseudonym: L. Marholm). Weiterlesen