(von Heinz-Jürgen Voß, zuerst in „Rosige Zeiten“, Nr. 140, Juli/August 2012)
Fast geräuschlos ist ein für Schwule so wichtiges Datum vorbeigegangen. Am 11. Juni 1994 wurde der § 175 abgeschafft – das Ende des Paragraphen ist damit quasi volljährig geworden, wie das „Rosa Archiv“ aus Leipzig so schön ausdrückte. Diese Gelegenheit soll hier als Ausgangspunkt dienen, sich einmal der Strafbarkeit von gleichgeschlechtlichem Sex und schließlich dem § 175 grundlegend zuzuwenden. 1994 fiel immerhin nur noch die letzte Ungleichbehandlung weg – die noch festgeschriebenen unterschiedlichen Schutzaltergrenzen, die für heterosexuelle und homosexuelle sexuelle Akte standen. Diese letzte Stufe der Abschaffung wurde in Angleichung an DDR-Recht geschafft. Ja genau – in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung galten bezüglich schwulem Sex noch unterschiedliche Regelungen.
Die zunehmende Problematisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Akte ist so alt wie die christliche Kirche. Denn galten zwar auch in der Antike Geschlechternormen, die Frauen und Männer unterschieden und die diesen auch sexuelle Rollen zuschrieben, so galten diese Regelungen sowohl für gleichgeschlechtliche als auch für andersgeschlechtliche sexuelle Akte. Für Männer galt es als problematisch, passive Rollen einzunehmen; Frauen sollten keine aktiven Rollen einnehmen. Das galt für die gesellschaftliche Position insgesamt wie für den sexuellen Akt im Besonderen. Weiterlesen