Tag Archiv für antirassismus

Berliner CSD – Judith Butler kritisiert schwul-lesbischen Rassismus und fordert zu gemeinsamen Kampf gegen Rassismus und Homophobie auf

(von Ralf Buchterkirchen, erschienen in Rosige Zeiten, Nr. 129 — Hier ist das Heft als pdf-Dokument online.)

Alle Jahre wieder. Christopher Street Days haben sich in den letzten Jahren zur Routine entwickelt. Von ein paar Ewiggestrigen abgesehen, die die Demonstrationen verurteilen oder beleidigen müssen, wie jüngst ein CDU-Landtagsabgeordneter aus Sachsen, der die CSD-Teilnehmer am liebsten gleich inhaftieren würde und das auch kund tut, haben sich die Veranstaltungen zur wichtigen Meinungsäußerung, aber nicht mehr zum Objekt des Aneckens verändert.
Einen ‚Skandal‘ gab es dann doch noch. Der Berliner CSD e.V. verleiht im Rahmen des CSDs Berlin den Zivilcourage Preis für gezeigte Zivilcourage und das Eintreten für Minderheiten. Dieses Jahr war neben dem Sexualwissenschaftler Martin Dannecker die Philosophin Judith Butler die zu Ehrende. Butler (oder ‚Frau Butler‘ wie sie die TAZ konsequent titelte) steht für das Aufbrechen der Geschlechtergrenzen. Mit dem Buch ‚Gender Trouble‘ (auf Deutsch als ‚Das Unbehagen der Geschlechter‘ erschienen) begründete die amerikanische Wissenschaftlerin maßgeblich die Queer Theory als Wissenschaftszweig. Aber auch zu Themen wie Krieg und Frieden weiß sie sich zu äußern, wie in ihrem unlängst erschienen Buch ‚Raster des Krieges‘. Weiterlesen

Homophobe und rassistische Diskriminierungen – Eine neue Studie, auf die ein genauer Blick lohnt

(veröffentlicht in: „Rosige Zeiten“ (www.rosige-zeiten.net), Nr. 128, Juni/Juli 2010)

Soeben erschienen ist eine Studie zu Diskriminierungerfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere auf Grund von Homosexualität. Während sich die Macher_innen der Studie – Forscher_innen der Universität Jena – in der Studie sehr zurückhaltend äußern, titelte der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) als Auftraggeber der Studie: „Deutlich erhöhte Diskriminierungsrisiken. LSVD veröffentlicht Studie zur Lebenssituation von Lesben und Schwulen mit Migrationshintergrund“ – und fokussiert im Folgenden sexuelle Orientierung als Diskriminierungsgrund. Während der LSVD zu dem Schluss kommt, dass insbesondere die Migrant_innen-Familien zu behandeln seien, um Homosexualität der Kinder anzuerkennen und die Kinder insbesondere Ausgrenzungen auf Grund der Homosexualität erleben, anstatt rassistische, sagen die Ergebnisse der Studie anderes. Das Online-Magazin Queer.de lehnte sich weitgehend an die Pressemitteilung des LSVD an, offensichtlich ohne zumindest einen Blick in die Jenaer Studie geworfen zu haben. So hat die Online-Zeitschrift nicht einmal festgestellt, dass die Jenaer Studie 99 Seiten hat – Queer.de schreibt von einer 51seitigen Studie.
Interessanter sind indes die Ergebnisse der Studie selbst. So heißt es in der Zusammenfassung und Diskussion der Hauptergebnisse unter den Punkten 1 und 2: Weiterlesen

Die Komplizenschaft verweigern

(von Salih Alexander Wolter, für Red & Queer Nr. 17. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.)
Was beim „großen CSD-Finale“ in Berlin an jenem 19. Juni 2010 passiert ist, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein; so viel ist seither über die Einzelheiten berichtet, so oft sind sie kommentiert worden. Etwa die entlarvende Ansage eines feisten Homofunktionärs von der Bühne am Brandenburger Tor herab an eine Gruppe queerer Migrant_innen – als sie Judith Butler mit Beifall für die Ansprache dankten, mit der sie eben den „Zivilcourage-Preis“ des CSD e. V. zurückgewiesen hatte, rief er ihnen zu: „Wir sind hier in der Mehrheit, ihr seid nur eine Minderheit.“ Der Eklat hat auf einen Schlag zum Hauptthema gemacht, was vom schwullesbischen Paradeweg in die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ jahrelang an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt worden war. Auf einmal geben sich die Medien nicht mehr mit dem zufrieden, was die Pressestelle des LSVD zum Bewusstseinsstand der Community verlautbart, sondern beginnen, genauer hinzuschauen – sogar die der Szene selbst. Und plötzlich haben es alle immer schon gewusst: Es gibt bei uns Rassismus. Weiterlesen

Out of print: Ein lesenswerter Artikel über schwulen und feministischen Imperialismus

Mittlerweile ist es in der Bundesrepublik Deutschland fast schon Mode geworden, Argumente der „Frauenrechte“ und „Schwulenrechte“ (mehr als Schwule – bspw. Lesben, Transgender – werden meist nicht genannt) anzuführen, um militärisches Eingreifen und Krieg zu rechtfertigen. In jedem Fall erscheint es als legitim einen vermeintlich „zivilisierten Westen“ gegen andere Gesellschaften zu setzen.

Aus dieser zirkulär befestigten Denkstarre sollte bereits aufschrecken, wenn man von Roland Koch und Angela Merkel Argumente „für Frauenrechte“ und „für Schwulenrechte“ vorgeführt bekommt. Warum hat die rechte CDU, die sich gegen Eingetragene Lebenspartnerschaft stemmte (von anderen Lebensweisen ganz zu schweigen) und die nun bezüglich Eingetragener Lebenspartnerschaft jede Verbesserung blockiert, ein Interesse an „Schwulenrechten“? Warum hat die gleiche rechte CDU, die finanzielle Vergünstigungen aufrecht erhält und neue einführt, die traditionell die Erwerbsarbeit und finanzielle Unabhängigkeit von Frauen behindern – wie das Ehegattensplitting und die neue Herdprämie -, ein Interesse an „Frauenrechten“? …und warum gehen sonst emanzipatorisch argumentierende Leute feministischer und schwuler Bewegungen dieser CDU auf den Leim?

Das Interesse geht auf andere Motive zurück, die kolonialistischen Argumente eines vermeintlich „zivilisierten Westens“ verselbständigen sich in der Diskussion – und mittlerweile fallen die Argumente bei einer denkfaulen schwulen (aber auch bei einer lesbischen und einer sich als „queer“ bezeichnenden“) Community auf fruchtbaren, Abgrenzung gewohnten Boden. Viele in dieser schwulen Community merken gar nicht mehr, wie sie selbst an rassistischen Diskriminierungen mitarbeiten, dabei selbst nur Mittel zum Zweck sind und sie selbst daran teilnehmen auch die eigene Diskriminierung (Homophobie) aufrecht zu erhalten und zu befestigen.

Für diese Debatte wären die Beiträge aus dem britischen Buch „Out of place“ hilfreich, das aber mittlerweile schon wieder aus dem Druck genommen wurde (zu den Gründen vgl. u.a. hier, hier und hier). Ein wichtiger Beitrag ist aber online – und er sei wärmstens zur Lektüre empfohlen: hier – und wer lieber deutschsprachig liest und genauer zur Situation in der Bundesrepublik Deutschland lesen will, der- und demjenigen sei der Beitrag von Jin Haritaworn in „Verqueerte Verhältnisse“ (Rezensionen hier und hier) empfohlen.

Gay Nationality? – oder: Patrioten sind Idioten, auch wenn sie lesbisch oder schwul sind!

Autorin: Heinz-Jürgen Voß

# 1 # Queer Nation und ein neues ‚Magnus-Hirschfeld-Institut‘
Endlich sind wir angekommen!! *yeah* Es hat sich ein breites Bündnis gebildet, Namens ‚Queer Nations‘, dass den Wiedergründung des Magnus-Hirschfeld-Institutes fordert (dieses Sexualwissenschaftliche Institut war 1933 im Nationalsozialismus von der deutschen Bevölkerung geplündert und zerstört wurden). Mit interdisziplinärer Forschung könnten dort gesellschaftliche Vorurteile u.a. gegenüber Leseben und Schwulen abgebaut werden und Sexualaufklärung betrieben werden. Prompt kommen aus allen politischen Lagern Jubelschreie. Wenn dies von CDU bis Linkspartei einhellig der Fall ist, sollten wir bewegt sein, genauer hinzuschauen: Warum kommt eine solche Initiative jetzt – erst 73 Jahre nach Plünderung und Zerstörung? Wer und was verbirgt sich hinter dieser Initiative? Warum die Namensanleihe bei ‚Queer Nations‘? Weiterlesen