Rassistische Polizeigewalt

(von Heinz-Jürgen Voß; erschienen in: „Rosige Zeiten“ Februar/März 2009)

 
Der Dezember 2008 gab ’schreiende‘ Anlässe, rassistisch motivierte Gewalt von Seiten der Polizei in den Blickpunkt zu rücken. Diese zwei ‚Vorfälle‘ werden hier noch einmal vorgestellt. Letztlich geht es nicht darum, Polizist_innen unter den Generalverdacht zu setzen, gewalttätige Übergriffe zu verüben. Aber es geht darum, ‚Vorfälle‘ in den Blick einer kritischen Öffentlichkeit zu rücken und auch Polizist_innen zu ermutigen, nicht wegzuschauen und nicht in einem falsch verstandenen Zusammengehörigkeitsgefühl, Straftaten zu decken.

Am 7. Januar 2005 kam Oury Jalloh, ein Bürgerkriegsflüchtling aus Sierra Leone, in der Zelle 5 des Dessauer Polizeireviers ums Leben. Er verbrannte bei lebendigem Leibe. Auf einer Matratze liegend, gefesselt an Händen und Füßen sollte Jalloh sich selbst angezündet haben. Gleichwohl musste die Anklage gegen die angeklagten Polizisten fallengelassen werden, dies nicht weil sie eindeutig von einer Schuld freigesprochen werden konnten, sondern weil ein ganzes Polizeirevier mauerte. Entsprechend erklärte der Richter den Prozess für gescheitert, gescheitert an Schweigen und sich widersprechenden Aussagen. Diese hätten es unmöglich gemacht, den gesamten Vorfall zu erhellen. Nicht geklärt wurde, wie Jalloh, der durchsucht wurde, Streichhölzer mit in die Zelle habe nehmen können, wie er sich in gefesseltem Zustand selbst habe entzünden sollen und warum trotz Feueralarms und Hilfeschreien die über die Gegensprechanlage wahrnehmbar waren keine Polizist_innen ihm zu Hilfe eilten. Ein im Jahr 2006 für den Prozess erstelltes Gutachten stellte fest, dass sofern sofort Polizist_innen Jalloh zu Hilfe geeilt wären, er mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte gerettet werden können. Nach 22 Monaten, 60 Verhandlungstagen endete der Prozess am 8. Dezember 2008. (1)

Bereits einige Tage vor diesem Prozessende – am 26.11.2008 – ereignete sich in Hannover ein weiterer ‚Vorfall‘. Der aus Togo stammende Ameyiza Koamivi Agos Assimewlui wurde an einem Wettbüro festgenommen. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Nur weil ein wohl aus Afrika stammender Drogendealer verhaftet wurde, wurden weitere Menschen – mit schwarzer Hautfarbe – überprüft. Da Assimewlui nur eine Kopie seines Passes dabei hatte, wurde er zur Überprüfung der Daten mit auf das Polizeirevier Herschelstraße genommen. Dort wurde er, nach eigenen Angaben, ruppig aufgefordert, sich zu entkleiden. Auf die Nachfrage, was er denn verbrochen habe, erhielt er keine Antwort – stattdessen erntete er Gelächter und erfuhr er Handgreiflichkeiten. Assimewlui entkleidete sich und wurde auf Drogen untersucht. Seiner Aufforderung, einen Arzt zu rufen wurde nicht gefolgt. Gegen 1.30 Uhr Nachts sollte Assimewlui gehen. Er war verärgert über das Vorgehen der Polizei und weigerte sich. Nachdem er mehrfach aufgefordert worden war, wurde er von der Polizei schließlich nackt, mit der Kleidung unter‘m Arm, aus dem Polizeirevier geschickt. Völlig verstört bat Assimewlui Passant_innen am Hauptbahnhof um Hilfe – Polizist_innen griffen ihn erneut auf, brachten ihn schließlich in die Medizinische Hochschule Hannover. Dort erhielt er endlich ärztliche Hilfe. Die Ärzt_innen bestätigten einen „verzweifelten Eindruck“ Assimewluis. Polizeisprecher Stefan Wittke erklärte auf Nachfrage der Hannoverschen Tageszeitung „Neue Presse“: „Man hätte ihn nicht nackt gehen lassen sollen.“ Assimewlui hat sich anwaltliche Unterstützung genommen. (2)

Auf Anfrage der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“ erklärte der Flüchtlingsrat, dass sich Beschwerden über rassistische Stereotype der Polizei häufen. Nicht nur der Tod Jallohs, Handgreiflichkeiten, Verweigerung medizinischer Unterstützung und Entlassen in nacktem und verzweifeltem Zustand Assimewluis sind Vorkommnisse, die uns alle wach rufen sollten, wach sollten wir schon werden, wenn an einem Wettbüro auf Grund einer einzelnen Festnahme nur Menschen schwarzer Hautfarbe überprüft werden. Hier schon wird rassistische Diskriminierung deutlich, werden Menschen auf Grund der Hautfarbe unter besonderen Verdacht gestellt.

Lesben und Schwule haben einen Grund mehr (auch wenn es eines solchen weiteren Grundes eigentlich nicht bedarf), sich gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt einzusetzen. Selbst wurden sie lange Zeit strafrechtlich verfolgt, bis heute finden Debatten über „Rosa Listen“, in denen die sexuelle Orientierung polizeilich festgehalten wird, statt. Auch wird immer wieder von heterosexistisch motivierten verbalen und physischen Übergriffen von Seiten der Polizei bei Demonstrationen und In-Gewahrsam-Nahmen berichtet. In historischer Erinnerung sollte noch präsent sein, dass die alljährlich stattfindenden Demonstrationen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Trans*, Intersex, Queer people ihren Ausgangspunkt in der New Yorker Christopher Street nahmen, wo sich auf Grund sexueller Orientierung und Identität gesellschaftlich marginalisierte Menschen gegen Razzien und Attacken der Polizei wehrten. Nicht zuletzt ist an den Ausgangspunkt der Queer Bewegung erinnert, der nicht etwa in Theorien lag, sondern in Aktionen, in denen Menschen, die auch von Lesben und Schwulen ausgeschlossen wurden, für Anerkennung und vielfältige Lebensweisen stritten – diese Menschen haben damit auch erheblich dazu beigetragen haben, heutige Rechte von Lesben und Schwulen zu erstreiten.

Lesben und Schwule sind nach wie vor auch von heterosexistischen Übergriffen, auch von Seiten einzelner Polizist_innen betroffen. Als Minderheitenposition sind ihre Rechte in den derzeitigen Mitbestimmungsstrukturen stets bedroht, wieder vermindert zu werden. Insofern ist das Streiten für eine emanzipatorische Gesellschaft, die keine Diskriminierungen zulässt, sondern in der Menschen mit ihren Identitäten, Lebensweisen, Merkmalen anerkannt sind, notwendige Voraussetzung auch für Lesben und Schwule, um selbst anerkannt zu bleiben, bzw. anerkannt zu werden.
Dieser Streit muss auch dabei anfangen, eine demokratische, pluralistische Kontrolle zu gewährleisten, der die Polizei unterliegt. Polizei ist, gerade in einer hierarchisch geprägten Gesellschaft wie der derzeitigen, stets eine Achillesferse. Einerseits soll sie den Schutz von Rechten aller garantieren, andererseits stellt sie ein Durchsetzungsinstrument dar, um hierarchische Unterschiede in der Gesellschaft zu bewahren. Dabei werden Menschen, die sich in der Polizei engagieren, mit einer besonderen Machtfülle ausgestattet, die sie in eine erhabene Position gegenüber anderen Menschen versetzen. Andere Menschen sollen die Anweisungen der Polizist_innen befolgen. Das eine solche Machtfülle, in gewissen Situationen über andere Menschen bestimmen zu können, auch dazu führen kann, auf verbale und physische Gewalt zurückzugreifen und diese bis ins Extrem zu steigern, haben (ältere und) neuere Untersuchungen gezeigt. (3) Das dem besser vorzubeugen ist, darauf weisen die, wenn auch längst nicht generalisierbaren dennoch immer wieder vorkommenden, Polizeiübergriffe hin.

Eine Verstärkung demokratischer, pluralistischer Kontrolle von Polizei ist notwendig. Beispielsweise könnte sie durch zu allen Einsätzen und Verhören mit herangezogene externe Beobachter_innen (bspw. aus Vereinen, Opferverbänden etc.) gewährleistet werden.

Anmerkungen:
(1) Ausführlicher vgl.: http://thevoiceforum.org/node/1043 und http://no-racism.net/article/2740 (Letzter Zugriff: 17.01.2009).
(2) Vgl. auch: http://www.neuepresse.de/newsroom/hannover/dezentral/hannover/art1067,745802 und http://de.indymedia.org/2008/12/234611.shtml (Letzter Zugriff jeweils: 17.01.2009).
(3) Vgl. Spiegel-Online: „So leicht werden Menschen zu Folterknechten“, 19.12.2008, von C. Stöcker (Online: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,597501,00.html (Letzter Zugriff: 17.01.2009).

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