Gay Nationality? – oder: Patrioten sind Idioten, auch wenn sie lesbisch oder schwul sind!

Autorin: Heinz-Jürgen Voß

# 1 # Queer Nation und ein neues ‚Magnus-Hirschfeld-Institut‘
Endlich sind wir angekommen!! *yeah* Es hat sich ein breites Bündnis gebildet, Namens ‚Queer Nations‘, dass den Wiedergründung des Magnus-Hirschfeld-Institutes fordert (dieses Sexualwissenschaftliche Institut war 1933 im Nationalsozialismus von der deutschen Bevölkerung geplündert und zerstört wurden). Mit interdisziplinärer Forschung könnten dort gesellschaftliche Vorurteile u.a. gegenüber Leseben und Schwulen abgebaut werden und Sexualaufklärung betrieben werden. Prompt kommen aus allen politischen Lagern Jubelschreie. Wenn dies von CDU bis Linkspartei einhellig der Fall ist, sollten wir bewegt sein, genauer hinzuschauen: Warum kommt eine solche Initiative jetzt – erst 73 Jahre nach Plünderung und Zerstörung? Wer und was verbirgt sich hinter dieser Initiative? Warum die Namensanleihe bei ‚Queer Nations‘?

Zur Erinnerung: ‚Queer nations‘ war eine Gruppe, die sich Ende der 1980er Jahre in den USA als loser Zusammenschluss von ins Abseits der Gesellschaft gestellten Menschen herausbildete. Lesben, Schwule, Prostituierte, Smlerinnen, HIV-Infizierte etc. fanden sich in Bewegungen zusammen und griffen den weißen, heterosexuellen mittelständischen Mainstream an und übten ebenso Kritik an einer diskriminierenden lesbischen und schwulen Community. Bezeichnend für diese Gruppe war u.a. die Nutzung nationaler Symbole, die verfremdet wurden. ‚Nation‘ wurde (zunächst) ironisch gesehen, da diese Ausschlüsse mit sich brachte.

An die Tradition von Magnus Hirschfeld und dessen Sexualwissenschaftlichen Institutes mit 73jähriger Verspätung anzuknüpfen, kommt mit Verlaub gesagt, etwas spät. Schließlich war der Inhalt Hirschfelds sexualreformerischer Aussagen auch eugenisch unterlegt und war er auch von Vorurteilen gegenüber Homosexuellen geprägt, die er allerdings keinen Restriktionen unterziehen wollte, sondern stets auf eine Freiwilligkeit bei seinen Ratschlägen (auch an Homosexuelle), keinen Nachwuchs zu zeugen, achtete. Hirschfeld hat dennoch vieles auf Gebieten der Sexualaufklärung geleistet und sich intensiv gegen den, Homosexuelle diskriminierenden, § 175 eigesetzt und für dessen Abschaffung gestritten. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit 1973 das ‚Institut für Sexualwissenschaft’ in Frankfurt/Main, dass derzeit von der Schließung bzw. massiven Mittelkürzungen bedroht ist und dass sexualwissenschaftliche Forschungen fortgesetzt und den jeweiligen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechende neue Erkenntnisse gewonnen hat. Dessen Schließung zu verhindern, ist ein erstes Ziel, um zeitgemäße, pluralistische, akzeptierende, vielleicht queere wissenschaftliche Forschung auf diesen Gebieten zu ermöglichen.

Auch die Fragen, wer eigentlich an ‚Queer Nations Berlin‘ beteiligt ist und ob die Berliner ‚Queer Nations‘ an das ironische Nationenverständnis der ‚1980er Queer Nations‘ in den USA anknüpfen werden, erweisen sich als interessant: Insbesondere Jan Feddersen (im Vorstand von ‚Queer Nations Berlin‘) und Jörg Litwinschuh (Geschäftsführer) haben in der Vergangenheit mit – milde ausgedrückt – musliminnenfeindlichen Verlautbarungen immer wieder Aufsehen und Empörung erzeugt. Es fällt schwer, bei ihnen ein ironisches Verständnis von ‚Nation‘ zu erwarten. Sie weisen auf Ausschlüsse und Diskriminierungen von Menschen lediglich dann hin, wenn es sich um, sich wohl verhaltende, an ‚gute Götter’ glaubende Homosexuelle handelt – deutsche, weiße, mainstream-Schwulenpolitik á la carte. Deutlich wird auch aus der Organisationsstruktur der Gruppe mit Vorständen und einem Geschäftsführer, dass da wohl nicht viel mit queer im Sinne queerer Theorie oder Praxis zu erwarten sein wird. Fraglich ist zudem, ob bei einem Sponsering von ‚Queer Nations Berlin‘ u.a. von den Konzernen Coca Cola und Glaxo Smith-Kline (einer der führenden HIV-Pillen-Hersteller) an einem so wiedergegründeten Sexualwissenschaftlichen Institut unabhängige und kritische Forschung (wie an dem Historischen) stattfinden kann…

Allerdings haben sich gerade für das Kuratorium namhafte Wissenschaftlerinnen bereit gefunden, so dass abzuwarten bleibt, was sich tatsächlich aus dieser, zunächst unglücklich angelegten, Initiative entwickelt.

# 2 # Baden-Württembergs Fragebogen
Baden-Württemberg führt einen Fragebogen ein, der zur Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft, die Gesinnung der Antragsstellerinnen untersuchen soll. Verwendung finden auch Fragen, die Geschlechtergerechtigkeit und Homosexualität betreffen.

Baden-Württemberg war immer in der Gegnerinnenschaft zu Gesetzen, die eine Verbesserung der gesellschaftlichen Situation von Lesben und Schwulen zur Folge hatten: so bei der Eingetragenen Lebenspartnerschaft und bei den mittlerweile mehren Vorlagen zum Antidiskriminierungsgesetz. Auch in Bezug auf Gleichberechtigung von Frauen gehört Baden-Württemberg eher zu den Ländern, die an der Vorstellung des Ernährermodells (der Mann geht arbeiten, die Frau muss das Haus hüten) festhalten. Auch wenn sich in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit seit 1974, als der Ehemann noch zustimmen musste, ob die Frau arbeiten gehen darf, durch feministische Bewegungen einiges bewegt hat, so war dies ganz bestimmt nicht Verdienst dieses Bundeslandes. Dass Fragen zu Geschlechtergerechtigkeit und Homosexualität im Fragebogen auftauchen, wird also nicht in der baden-württembergischen Liebe zu Frauenrechten, Lesben und Schwulen begründet liegen, sondern eher in gesuchten Möglichkeiten, Migrierende, Eingewanderte und auch in der Bundesrepublik Deutschland geborene und sozialisierte Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland ausweisen zu können.

Der Zentralrat der Juden und der Zentralrat der Muslime haben sich höchst kritisch zu diesem Fragebogen geäußert, weil er Muslime (bzw. wohl eher Menschen aus muslimischen Ländern) unter Generalverdacht stellt, Menschen- und Freiheitsrechte zu verletzen. Gerade die schwule Community sieht aber die Frage zur Einstellung gegenüber Homosexualität als wahren Ausdruck ihrer Emanzipation – und so ist die Pressemitteilung des LSVD Berlin Brandenburg (Lesben- und Schwulenverband Deutschlands) leider nicht die einzige Äußerung, die die Umsetzung eines solchen rassistischen Fragebogens auch in anderen Bundesländern fordert. Viele Schwule äußern sich mittlerweile ähnlich und beschreiben Menschen mit muslimischem Glauben als lesben- und schwulenfeindlich. Dabei berücksichtigen sie indessen nicht einmal, dass sie auch muslimische Lesben und Schwule der Intoleranz bezichtigen.

Diese offen musliminnenfeindliche Diskussion in der lesbischen und schwulen Community erstarkt bereits seit einigen Jahren und verbindet sich mit einem zunehmenden Nationalismus. Neben den Reaktionen auf den baden-württembergischen Fragebogen findet dies u.a. Ausdruck in Stellungnahmen des LSVD und Artikeln der Zeitschrift EMMA der letzten Jahre, in vielen Foren und im Motto des diesjährigen CSD Berlin „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Und all dies von Menschen, die selber diskriminiert wurden und immer noch werden…

Streiten wir gegen rassistische Politik und Feindlichkeit gegenüber Menschen aus welchen Gründen auch immer! Streiten wir immer, offen und offensiv für eine offene REPUBLIK, in der ALLE Menschen willkommen sind! Verstehen wir Staatsbürgerinnenschaft nicht als Ausschlusskriterium, sondern beziehen wir ‚Bürgerinnenrechte‘ mit in die Menschenrechte ein, die allen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen zustehen! Und verstehen wir ‚Integration‘ als gegenseitigen Prozess des Kennenlernens und nicht als Forderung nach Anpassung von Menschen, die migrieren mussten oder wollten!

Vor allem: Fragen wir nach, wenn wieder einmal Menschen in Gruppen zusammengefasst werden, um undifferenzierte Aussagen zu tätigen – und kritisieren wir diese Aussagen LAUT!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert