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Wenn Tier-Filme „heterosexuell“ zurechtgemacht werden…

An dieser Stelle sei auf einen lesenswerten Beitrag bei Queer.de verwiesen: Wissenschaftler_innen kritisieren bereits seit längerem, dass in der medialen Berichterstattung gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten unter Tieren als „homosexuell“, „schwul“ und „lesbisch“ bezeichnet wird. Verhaltensweisen unter Tieren könnten nie unter diesem identitäten verständnis gefasst werden (vgl. etwa hier und hier).

Nun kritisieren Wissenschaftler_innen um Dr. Brett Mills, dass in Tierdokumentationen sexuelle Verhaltensweisen, die dem heterosexuellen Denken der Filme-Macher_innen widersprechen, schlicht weggelassen werden. Besteigt etwa ein Männchen ein anderes, geht das in die Tierdokumentationen nicht ein, sondern wird aus dem Rohfilmmaterial herausgeschnitten. Es handelt sich also quasi um Zensur solchen Materials, dass nicht den normativen Vorstellungen der Filme-Macher_innen entspricht…

Der Beitrag bei Queer.de.

Weiter zum Thema:
Geschlecht und Sexualität in Schulbüchern – weiterhin heteronormativ.
Dass Tiere Sex nur zu Zwecken der Fortpflanzung betrieben, sei kompletter Unsinn.

Wissenschaftlich fundiert zu gleichgeschlechtlichem sexuellen Verhalten bei versch. Tierarten:
Bruce Bagemihl (1999): Biological Exuberance: Animal Homosexuality and Natural Diversity. St. Martin’s Press (Hardcover).
Joan Roughgarden (2004 / 2009): Evolution’s Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press.
Smilla Ebeling (2006): Alles so schön bunt. Geschlecht, Sexualität und Reproduktion im Tierreich. In: Ebeling, Kirsten Smilla, Schmitz, Sigrid (Hrsg.): Geschlechterforschung und Naturwissenschaften – Einführung in ein komplexes Wechselspiel. Wiesbaden. VS Verlag.

„Die Sache mit dem Geschlecht – Der Biologe Heinz-Jürgen Voss über das Begehren der Geschlechter“

An dieser Stelle sei kurz auf ein Interview im „fluter – Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung“ verwiesen, in dem die Gesellschaftlichkeit von Geschlecht und Begehren verdeutlicht wird. Hier gehts zum Interview.

Darüber hinaus zwei thematische Buchhinweise:

1 – Heinz-Jürgen Voß: „Geschlecht“

2 – Heinz-Jürgen Voß: „Making Sex Revisited“

 

Eine wunderbare Kritisch-Lesen-„Sommerausgabe“ – u.a. zu Schernikau „Die Tage in L“ und dem Buch „Auf der Trans*-Fläche“

Ich möchte auch dieses Mal gern auf die aktuelle Kritisch-Lesen-Ausgabe hinweisen. Es ist explizit eine „Sommerausgabe“ und sie macht deutlich, warum ein Blick kritischer und wissenschaftlicher Rezensionsmedien auf Romane und Erzählungen gut tut – http://kritisch-lesen.de/ .

Ich möchte einen kleinen Hinweis auf ein für intersektionale Betrachtungen wichtiges Buch geben. An dem Buch von Wellgraf „Hauptschüler“ wird deutlich, wie aus einer Stigmatisierung eine Identität erwächst:
http://kritisch-lesen.de/rezension/wenn-jungen-menschen-hoffnungen-genommen-werden

Und besonders erwähnenswert ist auch die Besprechung des Buches von Schernikau „Die Tage in L“ – ein exzellenter Roman zur Wende, schon vor längerer Zeit erschienen, gehört er zum unbedingten Muss für reflektierte Betrachtungen zur Wendezeit:
http://kritisch-lesen.de/rezension/zu-bunt-furs-grau
Weiterhin I: http://verqueert.de/schernikau-zwei-rezensionen/#more-104
Weiterhin II: http://www.schernikau.net/ (dort u.a. die essays)

Dass Tiere Sex nur zu Zwecken der Fortpflanzung betrieben, sei kompletter Unsinn. Es „ist wohl eindeutig, dass all das hier viel mit Spaß zu tun hat.“

Immer wieder kommt die Frage nach „Homosexualität“ bei den verschiedenen Tierarten auf. Wenn es auch nicht geht, den Begriff „Homosexualität“ auf andere Tierarten als den Menschen anzuwenden (sie verweist auf eine Identitätsform, die sich seit dem 19. Jahrhundert etablierte), so konnte doch bereits bei vielen Tierarten gleichgeschlechtliches Verhalten gezeigt werden, dass auch nicht einfach auf Sex reduziert werden kann. 2007 gab es hierzu im Naturhistorischen Museum der Universität Oslo eine interessante Ausstellung, die auch touren soll – vielleicht ist sie auch einmal in der Bundesrepublik Deutschland zu sehen.


Delphine bei der Penetration des Atemloches, Quelle.

Interessant ist sie allemal: So gaben die Organisator_innen in Interviews an, die auch in der deutschsprachigen Presse weite Verbreitung fanden, dass bspw. 80% der Zwergschimpansen „bisexuell“ seien, dass 20% der Möwen „homosexuell“ seien und dass bei 40% der Zwergkakadus „homosexuell“ seien. Insgesamt konnte bislang bei 1500 Tierarten gleichgeschlechtlicher Sex gezeigt werden. Interessant ist dies allemal, wird doch damit die verbreitete These widerlegt, dass Tiere nur Sex zu zwecken der Fortpflanzung hätten. «Wir wissen ja nicht, was sie denken. Aber es ist wohl eindeutig, dass all das hier viel mit Spaß zu tun hat.», so Petter Bøckman. Weiterlesen

Sexualität und Homosexualität – Ein paar Definitionen aus neuester Geschichte

Sexualität

Geschlechtlichkeit; alle Formen sexueller Verhaltensweisen (aus: Biologie Heute 2G, Hg. Hoff/Jaenicke/Miram, Schroedel Schulbuchverlag GmbH, Hannover 1985)

…die, Geschlechtlichkeit, allg. der Eigenschaftskomplex, der zw. den beiden Gruppen der Organismen unterscheidet, die sich durch Verschmelzung von Geschlechtszellen (Eier und Samen) vermehren; speziell beim Menschen die Gesamtheit der Lebensäußerungen, die auf dem Geschlechtstrieb beruhen, d. h. auf dem Bestreben nach Herbeiführung einer geschlechtl. Beziehung und Befriedigung, oder die damit in Verbindung stehen. Bei höheren Tierarten und bes. beim Menschen spielt neben der hormonellen die Großhirnsteuerung des Sexualverhaltens, und damit das Lernen sexueller Praktiken, eine wichtige Rolle. Mit der Höhe der Entwicklungsstufe wird dabei die unmittelbare sinnl. Lust zunehmend wichtiger als das Ziel der Fortpflanzung. Der S. des Menschen liegt ein vielschichtiger Komplex biolog., psycholog. und soziolog. Faktoren zugrunde. Außer von individuellen Gefühlen, Bedürfnissen, Erwartungen und Wünschen, Vorstellungen und Erfahrungen wird sie wesentl. von kulturellen und gesellschaftl. Verhältnissen, Einrichtungen und Normen geprägt. (aus: Brockhaus 9.Band, Verlag: F.A. Brockhaus GmbH, Mannheim 2000) Weiterlesen

Warum wurde durch die Evolution Homosexualität nicht ausgelesen?

Da sich Homosexuelle in aller Regel nicht fortpflanzen, dürften unsere Gene auch nicht weitergegeben werden, was langfristig zum „Ausmerzen“ der Gene führen würde. Warum ist dies in der Evolution nicht geschehen? Welche Vorteile hat homosexuelles Verhalten gegenüber anderen und wie funktioniert die Weitergabe der Gene an die Nachkommen? Diese Diskussion bezieht sich natürlich darauf, wenn mensch eine genetische Komponente annimmt, die jedoch nicht nachgewiesen ist.

In der Diskussion sind derzeit einige Aussagen:

– Von einigen WissenschaftlerInnen wird angenommen, dass Homosexuelle sich häufig um den Nachwuchs von Verwandten mitkümmern und somit zum Erhalt ihrer eigenen Gene beitragen. Das dürfte aber in einer modernen, sozialen Gesellschaft keine direkte Rolle mehr spielen.
– Homosexuelles Verhalten könnte das Überleben der gesamten Gruppe sichern und somit zum Erhalt der Population beitragen. Gleiche Begründung könnte auch für nichtreproduktive Sexualitäten gelten.
– Vielleicht wird Homosexualität aber auch nur im homozygoten Zustand ausgeprägt?
– Bei niederen Tieren haben homosexuelle Verhaltensweisen auch andere Vorteile: Wenn bei Wanzen ein Männchen ein anderes Männchen mit Spermien beglückt, werden diese Spermien auf ein Weibchen übertragen, sobald der Vergewaltigte ein Weibchen besteigt.

## Sexuelle Ausrichtung – der Glaube an die Gene.

Genetische Faktoren werden seit Ende des 19. Jh. für eigentlich alles verantwortlich gemacht. So wurde ihnen eine Rolle bei Alkoholismus und Gewalttaten zugeschrieben; für Geschlecht und Sexualität gilt ihr Einfluss als ausgemacht. Streifrage ist lediglich, wie hoch ihr Einfluss ist. Seit Ende des 19. Jh. / Anfang des 20. Jh. werden sie für Missgeburten verantwortlich gemacht und führte der Glaube an den „Niedergang der Menschheit“ durch „Degeneration“ zu eugenischen Maßnahmen, die bspw. homosexuellen und anderen behinderten Menschen eine Fortpflanzung verweigern sollte. Letztlich wurden Gene und Vererbung von Merkmalen als Ausrede genutzt, um im Nationalsozialismus Juden (nach der Rassenideologie des Nationalsozialismus), Behinderte, Homosexuelle zu verfolgen und zu ermorden.

Die eugenischen Ansätze, Menschen auf Grund bestimmter Merkmale, die medizinisch als pathologisch geschaffen werden, das Leben zu verwehren, setzen sich bis heute fort. Abgesehen von der Unmenschlichkeit dieses Denkens, verden Zweifel immer lauter, die Genen eine Hauptverantwortung bei der Ausprägung von Merkmalen zubilligen. Einige Anregungen: Weiterlesen

Kommt Homosexualität nur beim Menschen vor? Homosexualität im Tierreich

In der Vergangenheit wurde von verschiedenen Seiten verbreitet, dass Homosexualität eine widernatürliche, perverse Veranlagung ist. Das dem nicht so ist belegen auch die vielfältigen (homo)sexuellen Ausprägungen bei sehr vielen Tierarten – quer durch das gesamte Tierreich. So gibt es homosexuelle Verhaltensweisen auch bei Würmern, Wanzen, Stichlingen, Sonnenfischen, Waldsalamandern, Tauben, Seemöwen, beim Hausmeerschweinchen, bei Ratten, Dickhornschafen, Delphinen, Rhesusaffen, Orang-Utans, Zwerg-Schimpansen… Nachgewiesen wurde homosexuelles Verhalten schon bei 450 verschiedenen Tierarten. Das widerlegt die bisherige Annahme, dass Sexualität ausschließlich der Fortpflanzung dient. Diese These wird durch folgende Punkte unterstützt:

– Echsenarten, die nur aus Weibchen bestehen und sich durch Jungfernzeugung fortpflanzen und sehr wohl Sex miteinander haben
– Schimpansenweibchen, die über Jahre hinweg durch Stimulation der Brustwarzen die Trächtigkeit verhindern
– Seehundpopulationen, bei denen sich mehr als 90% der Männchen nicht fortpflanzen
– Transsexualität bei Korallenfischen
– Orang-Utans, die mit dem Finger ein Blatt durchstechen, dieses über den Penis führen und so eine Stimulation herbeiführen Weiterlesen