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Empfehlung: „Was ist Homosexualität?“

was_ist_homosexualitaetIch durfte heute schon, wie die anderen Autor_innen, einen Blick in die abschließende Druckfahne werfen und kann kurz vor Erscheinen sagen: Der Band „Was ist Homosexualität?“ ist sehr zu empfehlen! Autor_innen unterschiedlicher Disziplinen zeigen den Stand der Forschung auf – stets kritisch zur ‚Identitätskonzeption‘ der europäischen Moderne, in der geschlechtliche Handlungen klar kartiert wurden und ‚Homosexualität‘ als ‚Abweichung‘ von der Norm entworfen, besonders untersucht und verfolgt wurde. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Was ist Homosexualität? Forschungsgeschichte, gesellschaftliche Entwicklungen und Perspektiven

herausgegeben von Florian Mildenberger / Jennifer Evans / Rüdiger Lautmann / Jakob Pastötter

# Männerschwarm-Verlag
# gebunden, mit Schutzumschlag, ca. 576 Seiten, ca. 38,00 EUR (D)
# erscheint März 2014
# ISBN: 978-3-86300-163-6

Inhalt (teilsweise noch Arbeitstitel): Weiterlesen

Männlichkeiten und Militarismus „Menschen leben lieber bunt als soldatisch“

Ralf Buchterkirchen hat Queer.de ein sehr lesenswertes Interview zu Queer als Widerstand gegen das Militärische, als Widerstand gegen die Bundeswehr gegeben und erläutert die Hintergründe für sein Buch  „‚… und wenn sie mich an die Wand stellen‘ – Desertion, Wehrkraftzersetzung und ‚Kriegsverrat‘ von Soldaten in und aus Hannover 1933-1945“. Hier ein kleiner Ausschnitt – das vollständige Interview findet sich hier.

Du bist in der Friedensbewegung aktiv. Gibt es einen Zusammenhang mit deinem queeren Engagement?

Auf jeden Fall. Nicht umsonst waren Schwule nie im Militär wirklich willkommen – und sind sie es heute nur aus Imagegründen und aus militärstrategischen Interessen. Die aktuellen Kriege werden vordergründig mit Homosexuellen- und Frauenrechten begründet, die anderen Interessen vernebelt, so dass es für die Armee als notwendig erscheint, „emanzipatorisch“ und „schwulenfreundlich“ zu wirken. Gleichzeitig gilt weiterhin, dass Schwulsein in gewisser Weise die normativen Männlichkeitsbilder angreift. Ohne das Selbstverständnis von Soldaten als heroische Kämpfer und den erwarteten Rollenvorstellungen könnte Militär nicht funktionieren.

[…]

buchterkirchen_militaer_desertion_wehrkraftzersetzung_hannoverSpielt queer in deinem Buch eine Rolle?

Ja. Es ist quasi ein Gegenstück zu den festgefügten Männlichkeitsnormen. Queer beinhaltet Offenheit, wendet sich gegen militärische und sonstige staatliche Gewalt gegen Menschen. Queer waren die Kämpfe in der New Yorker Christopher-Street – gegen die Polizeigewalt. Und zentraler Angelpunkt damals war, dass sich die gegen die Polizeigewalt zur Wehr setzenden auch deutlich gegen klare Geschlechtsidentität und Geschlechterrollen aussprachen.

Queer bietet also den Ansatz zum Hinterfragen und Angreifen von Norm. Aus dieser Sicht wende ich mich dem Thema Desertion zu. Ich arbeite gerade die individuellen Motive der Menschen heraus, die sich dem Gehorsam verweigerten. Es waren nicht einfach alle „politische Widerstandskämpfer“, sondern einige hatten einfach den Krieg satt, wollten zu ihren Familien, konnten das Töten nicht mehr sehen. Solch individuellen Motive kamen bisher in der Forschung zu kurz – ich halte sie für bedeutsam, auch deshalb, weil das Leben, das bunte Leben von Menschen diametral soldatischer Ordnung, Kriegsinteressen und dem Töten von Menschen entgegensteht. Ein Deserteur schrieb in einem Abschiedsbrief an seine Familie: „Das Leben hat das Recht.“ So ist es.

zum vollständigen Interview

Buch „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ – Reaktionen und Buchvorstellungen

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“Seit Werner Hinzpeters Schöne schwule Welt (1997) und Eike Stedefeldts Schwule Macht (1998) hat niemand mehr so konkret die Akteure der schwul-lesbischen Szene — wie etwa LSVD und Queer Nations — analysiert und kritisiert. Man darf gespannt sein, ob als Reaktion wieder nur beleidigte Abwehr kommt oder — man soll die Hoffnung nie aufgeben — ein Umdenken erfolgt.” …heißt es in der von Ulrike Kümel verfassten Rezension zum Buch „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ auf Queer.de. Im Forum und auf der Facebook-Seite der schwulen Online-Plattform schlossen sich sogleich intensive Diskussionen an.

Auch andernorts ist das der Fall. Nur einen Monat nach Erscheinen des Buches „Queer und (Anti-)Kapitalismus“ wurde es bereits unter anderem bei maedchenmannschaft.net, die-andere-welt.de, auf freitag.de und verqueert.de und in der Zeitschrift „analyse und kritik“ besprochen: Die Wiener lesbisch-schwule Buchhandlung Löwenherz kündigt es wie folgt an: “Die spannende Frage, inwieweit erfolgreiche lesbisch-schwule Emanzipation mit dem neoliberalen Umbau der Weltwirtschaft Hand in Hand ging, untersuchen Heinz-Jürgen Voß und Salih Alexander Wolter in ihrem neuesten Buch. Eine anspruchsvolle Lektüre, heilsam in einem niveaulosen [österreichischen] Wahlkampf, auch wenn man nicht alle Standpunkte der Autoren teilt.”

Es ist also gute Debatte zu erwarten! Und dazu laden die Autoren ein: Eine ‚Tournee‘ an Buchvorstellungen findet ab diesem Freitag statt, mit Terminen in der Bundesrepublik, in Österreich und der Schweiz. Auftakt ist in der Literaturstadt Leipzig am 4. Oktober; es folgen Berlin (6.10.), Zürich (11.10.) und Wien (16.10.) und im November zahlreiche weitere Termine: 2.11. Braunschweig, 3.11. Nürnberg, 8.11. Bielefeld, 14.11. Bonn, 20.11. Hildesheim, 21.11. Potsdam, 4.12. Frankfurt/Main (detaillierte Informationen zu allen Terminen). Und alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

Buch NEU erschienen: “Queer und (Anti-)Kapitalismus”

voss_wolter_queer_anti_kapitalismusDas Buch “Queer und (Anti-) Kapitalismus” ist nun erschienen und kann ab sofort beim Verlag bestellt und bei jeder Buchhandlung bezogen werden!

Voß, Heinz-Jürgen / Wolter, Salih Alexander:
Queer und (Anti-)Kapitalismus
Schmetterling-Verlag
1. Auflage 2013 / 160 Seiten / 12,80 EUR
ISBN 3-89657-061-7

Klappentext:
Die ‹Erfolgsgeschichte› der bürgerlichen Homo-Emanzipation in den westlichen Industriestaaten während der letzten Jahrzehnte fällt mit der neoliberalen Transformation der Weltwirtschaft zusammen. Während vor allem weiße schwule Männer Freiheitsgewinne verbuchen, kommt es zu einem entsolidarisierenden Umbau der Gesellschaft, verbunden mit zunehmend rassistischen Politiken im Innern; zugleich dient der «Einsatz für Frauen- und Homorechte» als Begründung für militärische Interventionen im globalen Süden. Dabei waren es schon 1969 in der New Yorker Christopher Street «[S]chwarze und Drag Queens/Transgender of colour aus der Arbeiterklasse», die den Widerstand gegen heteronormative Ausgrenzung und Gewalt trugen und «sich in Abgrenzung zu weißen Mittelklasse-Schwulen und [-]Lesben ‹queer› nannten, lange bevor deren akademische Nachfahren sich diese Identität aneigneten» (Jin Haritaworn). Doch auch hierzulande sind es die queer People of Color, die aktivistisch wie theoretisch gesamtgesellschaftliche Perspektiven jenseits des gängigen Homonationalismus entwickeln.
Im Band betrachten wir die aktuell viel diskutierten Ansätze einer ‹queer-feministischen Ökonomiekritik› vor dem Hintergrund queerer Bewegungsgeschichte. Wir zeigen mögliche Verbindungen zum ‹westlichen Marxismus› Antonio Gramscis, zum postkolonialen Feminismus Gayatri Chakravorty Spivaks, zu den «Eine-Welt›»Konzepten von Immanuel Wallerstein und Samir Amin auf. Wegweisend ist für uns ein intersektionales Verständnis, wie es Schwarze Frauen und queere Migrant_innen in der Bundesrepublik bereits seit den 1980er Jahren erarbeitet haben. Uns interessiert in diesem Band, wie Geschlecht und Sexualität – stets verwoben mit Rassismus – im Kapitalismus bedeutsam sind, sogar dort erst aufkommen oder funktional werden. Theoretisch, historisch und immer mit Blick auf Praxis untersuchen wir die Veränderungen der Geschlechter- und sexuellen Verhältnisse der Menschen unter zeitlich konkreten kapitalistischen Bedingungen. Wem nützen die geschlechtlichen und sexuellen Zurichtungen der Menschen im Kapitalismus, und was lässt sich aus den historischen und aktuellen Kämpfen für queere Kapitalismuskritik lernen?

Wichtiges Buch: „Mein intersexuelles Kind“ von Clara Morgen, Buchvorstellung am 27.8. in Berlin

Umschlag_fliessend.inddClara Morgen
Mein intersexuelles Kind: weiblich männlich fließend
transit-Verlag, Berlin
128 Seiten, Hardcover, 14,80 €
ISBN 978-3-88747-292-4

Klappentext:
Ein Kind wird geboren, aber es passt partout nicht in das Schema Hellblau-Rosa oder Junge-Mädchen. Was aufgrund genetischer Konditionen als seltene, aber trotzdem »natürliche« Variante gelten muss, entwickelt sich für das Kind und seine Eltern zu einer schwierigen Kette von Problemen und Entscheidungen, meistens begleitet von Ängsten, Unwissenheit, Vorurteilen und Fehlinformationen. Clara Morgen schreibt über ihr Leben mit ihrem Kind, das zunächst Franz, dann aber nach ärztlichem Gutachten Franzi genannt wird, über Ärztinnen und Ärzte und deren Diagnosen, über die Fragen der Offenheit gegenüber dem Kind und dem Freundes- oder Bekanntenkreis, über die fatalen Probleme und Folgen von Operationen, über Selbstzweifel und schlechtes Gewissen. Aber auch über das Glück, dieses Kind besonders zu lieben und in einer Umgebung aufwachsen zu sehen, die das »Anderssein« akzeptiert und so dem Kind das notwendige Selbstbewusstsein und die Würde gibt, die jedes Kind zum Aufwachsen und Erwachsenwerden braucht.
Eine sehr persönliche Erzählung, ergänzt durch Interviews mit anderen Eltern, Ärztinnen und Ärzten, intersexuellen Menschen und Interessengruppen.

Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit:
http://www.transit-verlag.de/index.php/druckfrisch/287-morgen-mein-intersexuelles-kind.html

Buchvorstellung:
am 27. August um 17:00 bei TrIQ e.V., Glogauer Straße 19, 10999 Berlin
Infos: http://www.transinterqueer.org/aktuell/buchvorstellung-mein-intersexuelles-kind/

„Wer MACHT Demo_kratie?“ – wichtige Anregungen für lesbische, schwule, queere Perspektiven

kritik_praxis-band1_COVER_V1.inddDuygu Gürsel, Zülfukar Çetin & Allmende e.V. (Hg.)
Wer Macht Demo_kratie? Kritische Beiträge zu Migration und Machtverhältnissen
edition assemblage, Infos zum Buch: Verlagsseite

Aufgrund furchtbarer Zustände in Asylbewerberheimen und die andauernde Abschiebepraxis der deutschen Behörden zogen Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin. In München fand ein Hungerstreik statt, der unter Einsatz massiver Polizeigewalt aufgelöst und die Menschen vielfach in Abschiebeunterbringung inhaftiert wurden.

Mittlerweile wird immer deutlicher, wie die demokratischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland nicht für alle Menschen gelten. Bei Flüchtlingen wird das krass klar – hier wurde mit besonderem Druck aus der Bundesrepublik Deutschland die Drittstaatenregelung auf europäischer Ebene durchgesetzt und Frontex aufgebaut. Frontex verschuldete viele Tausend Todesfälle im Mittelmeer – und hört noch immer nicht auf.

Die rassistischen Verhältnisse in der Bundesrepublik und die Situation von Migrant_innen und geflüchteten Menschen rückt das neue Buch „Wer MACHT Demo_kratie?“ in den Blick. Dabei wird auch die Verstrickung der „weißen schwulen Community“ in die rassistischen Zustände thematisiert. Etwa in dem Hamburger Stadtteil St. Georg stehen weiße Mittelklasse-Schwule vielfach auf der falschen Seite und wirken daran mit, dass es zu einer vermeintlichen „Aufwertung“ des Stadtteils kommt und viele Menschen dort somit nicht mehr leben können: Arme, Migrant_innen. Also auch viele Schwule – arme, migrantische – sind von der ausgrenzenden Städtebaupolitik betroffen. Im Band „Wer MACHT Demo_kratie?“ erläutert Vassilis S. Tsianos sehr sehr gut diese Städtebaupolitiken in St. Georg.

Solidarisch sein, ein Miteinander entwickeln – dafür liefert das Buch „Wer MACHT Demo_kratie?“ viele gute Beiträge. Es bricht aber auch das leichtfertige Denken auf, in denen Schwulen und Lesben der Mehrheitsgesellschaft immer eine „Opferrolle“ beanspruchten. Auch sie sind häufig zu Täter_innen geworden, gerade in Bezug auf Rassismus und als sie im Streit um ein Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Homosexuellen sich deutlich gegen Jüd_innen positionierten (hierzu ausführlich Koray Yılmaz-Günay und Salih Alexander Wolter im Band). Der Band liefert so wichtiges Material, das hoffentlich auch eine Debatte unter Schwulen und Lesben der Mehrheitsgesellschaft um eigenen Rassismus und Antisemitismus anstößt.

Biologie & Homosexualität: Deutschlandradio Kultur zum Buch aus dem Unrast-Verlag

Cover des Buches Biologie und HomosexualitätDer Band Biologie & Homosexualität: Theorie und Anwendung im gesellschaftlichen Kontext, der hier bereits vorgestellt wurde, wird mittlerweile breit zur Kenntnis genommen.

So argumentierte Susanne Billig auf Deutschlandradio Kultur: „Präzise fühlt der Autor auch den jüngsten biologischen Begründungen auf den Zahn. Weder die Hirnforschung (Region INAH3 im Hypothalamus) noch die molekulare Genetik (das „Schwulen-Gen“ Xq28) vermögen ihn zu überzeugen. Zu vage ist die Datenlage, zu gewollt die Interpretation. Für naiv hält Heinz-Jürgen Voß allerdings auch die Hoffnung der Szene, mit dem Verweis auf die biologische Natürlichkeit homosexuellen Verhaltens die Diskriminierung einzudämmen. […] Heinz-Jürgen Voß ist keiner, der populärwissenschaftlich auf die Pauke haut. Auch sein neues Buch führt er nah an fachwissenschaftlichen Gepflogenheiten. […] und seine spannenden Recherche-Früchte präsentiert der Autor auf schmalen 88 Seiten.“ (vollständig lesen

Die Wiener Politikwissenschaftlerin Gudrun Hauer renzensierte das Buch in den Lambda-Nachrichten. Sie beschließt die Rezension folgendermaßen: „Erfrischend zu lesen, gerade wenn man den unsäglichen soziobiologischen Schrott vergleicht, der etwa postuliert, dass ‹die Gene› Männer zu Vergewaltigern und wahllosen Herumvöglern und Frauen zu konstitutionell Schwächeren und zu logischem Denken Unfähigen machten. Eine ausgezeichnete Einführung in ein nicht einfaches Thema – wobei sich die Rezensentin vom Autor eine viel längere Abhandlung erhofft.“ (Lambda-Nachrichten, Heft 3 (2013), S.45, hier online).

Ein Blick in das Buch könnte also lohnen 🙂

BUCHEMPFEHLUNG: „Wer Macht Demo_kratie?“

Der folgende Band sei sehr empfohlen – ich hatte bereits Gelegenheit gründlicher hineinzusehen. Darin findet sich unter anderem der exzellente Beitrag „Pink Washing Germany? Der deutsche Homonationalismus und die «jüdische Karte»“ (von Koray Yılmaz-Günay und Salih Alexander Wolter)!

Duygu Gürsel, Zülfukar Çetin & Allmende e.V. (Hg.)
Wer Macht Demo_kratie? Kritische Beiträge zu Migration und Machtverhältnissen
256 Seiten, 16.80 Euro
ISBN 978-3-942885-34-8
Link: http://www.edition-assemblage.de/wer-macht-demo_kratie/

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Klappentext:
Wer MACHT Demo_kratie? lautet die zentrale Frage des Sammelbandes.
Die Autor_innen setzen sich in ihren Beiträgen u.a. mit Migrations- und Flüchtlingspolitiken, Demokratie, Kapitalismus, Rassismus, Homonationalismus, Kolonialismus, Feminismus, sozialen Kämpfen und migrationsbezogener Sozialer Arbeit auseinander.
Sozialwissenschaftler_innen, Aktivist_innen und andere politischen Akteur_innen kommen hier zu Wort und bringen Alternativen für politisch-wissenschaftliche Auseinandersetzungen zum Ausdruck.
Das Buch ist ein Versuch, kritische Gesellschaftstheorie und Praxis vereinbar zu machen, und möchte weitere Projekte dieser Art anregen.

Die Herausgeber_innen:
Duygu Gürsel: Doktorandin an der HU-Berlin. Promoviert zum Thema Prekarisierung, Migration und Affekte und aktiv bei Allmende e.V.

Zülfukar Çetin: Antidiskriminierungsberater bei der Opferperspektive e.V. in Potsdam, arbeitet zu kritischer Migrations- und Queer Theorie und engagiert sich bei Allmende e.V. und Türkischem Bund Berlin Brandenburg.

Ebenfalls empfehlenswert:
Buch „Homophobie und Islamophobie“
Buch „Karriere eines konstruierten Gegensatzes: zehn Jahre ‚Muslime versus Schwule'“
Buch „Ali und Ramazan“

Buchempfehlung: „Stop Trans*-Pathologisierung“

Unbedingt empfehlenswert: „Stop Trans*-Pathologisierung“. Seit 2007 hat sich durch die internationale Kampagne „STP-2012“ der Kampf gegen die Pathologisierung, die institutionelle und alltägliche Gewalt gegen Trans*-Personen intensiviert. Dabei konnten von den streitenden Trans*-Menschen einige Erfolge erzielt werden – unter anderem gerade in Bezug internationale Vernetzung, kommunalen Aktivismus und intersektionale Weiterentwicklung der Forderungen.

Der vorliegende Band bereitet die neueren Entwicklungen auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Theoriebildung und des politischen Aktivismus auf. Die Autor_innen heben dabei deutlich heraus, wie gerade die Institution Medizin an der Gewalt und Unterdrückung von Trans*-Personen Anteil hat, dadurch dass sie Trans*-Menschen als „krank“ stigmatisiert. Die Medizin ist dabei in aktuelle normalisierende gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden. D. Demiel schreibt dazu im Band:

„Die heutige Neubelebung stigmatisierender Zuschreibungen gegen Trans* genauso wie insbesondere gegen die so genannten Verlierer_innen der Konkurrenz- bzw. Leistungsgesellschaft darf nicht weiter zugelassen, der Rechtsruck der Gesellschaft nicht weiter stillschweigend in Kauf genommen, Vorurteile dürfen nicht weiter reproduziert bzw. Ängste nicht mehr geschürt werden. Es gilt, die Ursachen und Verursacher_innen für komplexe soziale Probleme klar zu benennen und vereinfachende Lösungsansätze […] abzulehnen. Rassismus und Ausgrenzung sind Standbeine einer Wirtschaftslogik, die Menschen auf ihren bloßen ‚Nutzen‘ (Mehrwert) bzw. ihre ‚Verwertbarkeit‘ reduziert, sie erpressbar und manipulierbar macht sowie sie entsolidarisieren soll.“ (S.21)

Insgesamt bietet der Band einen wichtigen fundierten Überblick und macht klar, dass Streiten, das erfolgreich sein soll, 1) international vernetzt, 2) kommunal verankert und 3) intersektional – also mit Blick auf die Verschränkung von Rassismus, Sexismus und Klassismus – erfolgt.

Anne Allex (Hg.)
Stop Trans*-Pathologisierung

Berliner Beiträge für eine internationale Kampagne
ISBN 978-3-940865-36-6 I 2012 I 9,50 EUR
Verlagsinformationen

Queere Bestandsaufnahme

Queer-zum-StaatRezension von: Helga Haberle, Katharina Hajek, Gundula Ludwig, Sara Paloni (Hrsg.): Queer zum Staat: Heteronormativitätskritische Perspektiven auf Staat, Macht und Gesellschaft. Berlin: Querverlag (2012, 227 Seiten, broschiert, 14,90 EUR). Zuerst veröffentlicht in den Rosigen Zeiten (www.rosige-zeiten.net).

 

Die aktuellen kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse sind durch eine Flexibilisierung und Individualisierung der Lebensbereiche gekennzeichnet. Insbesondere bzgl. Geschlecht und Sexualität werden die Veränderungen von Menschen als konkrete Befreiungen erlebt: So ist gleichgeschlechtliches sexuelles Tun nicht mehr strafbar. Dem „alten patriarchalen Modell [wurden] Rechte und Freiheiten abgerungen“ (Wagenknecht 2005) – dafür waren konkrete Kämpfe von Menschen nötig, insbesondere der Frauen-/Lesbenbewegung. Gleichzeitig zeigt sich, dass durch diese Veränderungen die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht erschüttert wird. Vielmehr können die flexibilisierten und individualisierten Individuen zum aktuellen Entwicklungsstand des Kapitalismus sogar noch intensiver ausgebeutet werden. Es bleibt dem Kapitalismus damit nicht einfach „völlig äußerlich“, was die Individuen tun, wie Volkmar Sigusch in „Neosexualitäten“ (2005) vermutete, sondern die derzeitige Aktualisierung ermöglicht es, „individuelle Kreativität auszubeuten“, „kollektive Widerstände zu verhindern“ und sie bedeutet, die „Verwandlung von allem und jedem in Waren, einschließlich der menschlichen Sinnlichkeit“ (Wagenknecht 2005). Anknüpfend an Leo Kofler lässt sich weiter festhalten, dass die aktualisierten kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse „erotische – und das heißt hier vornehmlich sexuelle – Freiheit versprech[en] und formell auch gewähr[en], aber allein zu dem Zweck, um das Individuum über die psychischen Prozesse der Verinnerlichung und der Identifikation um so stärker an die repressive Ordnung zu fesseln, damit der bestehenden Unterdrückung Dauer zu verleihen.“ (Kofler 1985)

Vor dem Hintergrund der Diagnose, dass gesellschaftliche Kämpfe gut in Herrschaftsverhältnisse integrierbar sind, finden aktuell emanzipatorische Positionsbestimmungen statt. „Que[e]r zum Staat: Heteronormativitätskritische Perspektiven auf Staat, Macht und Gesellschaft“ ist eine solche, die insbesondere eine Analyse der Veränderungen bezogen auf Staatstheorien anbietet. Die Autor_innen des Sammelbandes gehen hierbei von Beschreibungen aus, dass die Europäische Union „toleranter“ werde, insbesondere bezogen auf geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung. Dabei führt Volker Woltersdorff sehr richtig an, dass diese hegemoniale Durchsetzung von „Toleranz“ zwischen „innen“ und „außen“ unterscheidet, mit „Instrumenten wie Green Card oder Frontex“ werde etwa zwischen „erwünschten und unerwünschten Arbeitssubjekten“ unterschieden (S. 129), also Rassismus mit vielen Toten staatlich durchgesetzt. Weiterlesen