Benny Ziffer: Ziffer und die Seinen.

Rezension von Heinz-Jürgen Voß (erschienen in „Rosige Zeiten“, Oldenburg)

Real oder fiktiv? Diese Frage stellt sich schon unwillkürlich bei Betrachtung von Titel und Autor: „Ziffer und die Seinen“ von Benny Ziffer. Der Autor spielt. Er schreibt keine Autobiographie, vielmehr können sich unter „Ziffer“ des Titels Israelis versammeln, durch selbst Erlebtes, Erlebtes von Familienangehörigen und Erzähltes vom Holocaust geprägt. Versammeln können sich unter diesem „Ziffer“ auch Schwule, aus Israel und Palästina heute.
Benny Ziffer, israelischer Schriftsteller und Kolumnist der Zeitschrift Haaretz, bringt in seinem Roman, der im Jahr 1999 auf Hebräisch erschienen ist und der nun in deutsche Sprache übersetzt wurde, profane Alltäglichkeiten, mit konkreten politischen Beschreibungen und historischen Rückblenden zusammen. Im Zentrum stehen Ziffer und Jo – ein schwules Pärchen, das zunächst in Tel Aviv, später in Berlin wohnt. Während Ziffer exzentrischer Autor ist, nimmt Jo die Hausfrauenrolle ein. Nicht selten geraten sie aneinander – Gründe ergeben sich genügend.
Eingeflochten sind historische Beschreibungen über Magnus Hirschfeld. Real oder fiktiv? Auch hier spielt der Roman-Autor, diesmal mit der bekannten Persönlichkeit, bezieht sie, deren Streiten für Homosexuellenrechte mit ein. Hirschfelds Bücher wurden im Nationalsozialismus verbrannt, er selbst floh ins französische Nice (Nizza), wo er 1935 starb. Benny Ziffer zitiert Kapitel aus dem Buch „Die Homosexuellen in Palästina“ des fiktiven Hirschfelds, der reale Hirschfeld hat ein solches Buch nicht geschrieben. Benny Ziffers Hirschfeld eröffnet das durch die Nationalsozialisten in Berlin geplünderte und geschlossene Institut für Sexualwissenschaft in Jerusalem neu…
Zunächst abwegig und als unzulässige Übertragung aus dem Nationalsozialismus die LeserIn provozierend findet im Roman in Israel eine Bücherverbrennung statt. Das verwirrt, wie einige andere Szenen. Eine beispielsweise, in der ein schnelles Quickie und ein sich anschließendes Gespräch in einem Café und eine darauf folgende gemeinsame Nacht – mit einer Szene konfrontiert wird, in der Gedanken verarbeitet werden, wie ein Mensch durch einen „Herrenmenschen in brauner Offiziersuniform“ dazu gezwungen wird, sich in den Mund pinkeln zu lassen. Die braune Offiziersuniform deutet eine Anbindung an die historischen Ausführungen an, die vorangegangene Szene des sich verlängernden Dates verortet diese Szene in der Aktualität…
Der Roman thematisiert die Situation und das Leben von Schwulen in Israel, es thematisiert eine durch die grauenvollen Verbrechen im Nationalsozialismus geprägte Geschichte, die präsent ist und individuell aufgearbeitet wird. Die LeserIn kann an der Aufarbeitung ein Stück weit teilnehmen – Verwirrung, sich windende Handlungsstränge, abrupte Brüche erscheinen als stilistische Mittel zum Zweck. Manchmal amüsant, manchmal aufregend, immer kurzweilig werden Historie und Aktualität, Israel und Schwule, Berlin und Tel Aviv, Herrschaft und Unterdrückung zusammengebracht, Verbindungen gezogen, Problemlagen geschildert.
„Ziffer und die Seinen“ stellt eine Aufforderung an die LeserIn dar, der sie/er sich stellen sollte.

Benny Ziffer
„Ziffer und die Seinen“
Roman, aus dem Hebräischen von Markus Lemke
ISBN: 978-3-939542-39-1
18,00 Euro

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