Judith Butlers Ansätze und queer Theorie weiterentwickeln!

Ich möchte sehr gern auf eine aktuelle sehr gute Kritik an der Philosophie Judith Butlers hinweisen – geschrieben von Magnus Klaue und erschienen in „Konkret“. Die Kritik richtet sich darauf, dass Menschen sich eben nicht einfach eine Identität an Hand vorgegebener Zeichen zusammenstellen. Vielmehr sind Menschen ganz konkreten Erfahrungen, ganz konkreter Gewalt ausgeliefert – verbunden mit Verletzungen. Das gilt auch bezogen auf Geschlecht. Und das sollte bei einer Weiterentwicklung von Queer-Theorien zentral bedacht werden! Hier kann und muss queer lernen – von feministischen, marxistischen Thorien (ein paar Anregungen gebe ich in „Geschlecht: Wider die Natürlichkeit“) und eben auch von Kritischer Theorie Adornos. Im Folgenden eine kurze Passage aus der Rezension / Kritik von Magnus Klaue:

„Indem Butler die in der neueren Psychoanalyse und im Poststrukturalismus gängige Illusion übernimmt, das Subjekt forme sich, indem es eine »Geschichte« von sich erzähle, »Identität« also narrativ erzeuge, verfehlt sie die Herausforderung, die Adornos Moralphilosophie als Versuch einer Ethik nach Auschwitz darstellt. Die Nazis haben ihre Opfer nicht »adressiert«, sondern massenhaft ermordet, und die Sorge um die »narrative Struktur« der eigenen »Ich-Erzählung« würde angesichts der NS-Mordmaschinerie zynisch erscheinen. Die Kategorie des Menschseins selbst ist in den Konzentrationslagern liquidiert worden, und es gehört ein großes Maß historischer Ignoranz dazu, wenn Butler Adornos Moralphilosophie als Versuch liest, zu bestimmen, was »menschlich sein« bedeute, ohne zu reflektieren, daß gerade die Erfahrung universaler und irreversibler Entmenschlichung Movens von Adornos Denken war. So richtig Butlers Einsicht ist, daß die Reduktion ethischer Maximen auf bloße »Selbsterhaltung« und die Verwandlung menschlicher Bedürfnisse in kodifizierte »Rechtsansprüche« von Adorno als Zeichen jener Entmenschlichung abgelehnt würden – die Behauptung, »unsere Chance, menschlich zu werden« liege darin, »wie wir auf Verletzungen reagieren«, bleibt erschreckend hilflos. »Verletzungen« – dies hat schon die Auseinandersetzung mit Rassismus und Sexismus in Haß spricht gezeigt – scheinen in Butlers Welt ohnehin vorwiegend als symbolische Verletzungen zu existieren, die sich sprachpragmatisch analysieren lassen. Daß Verletzungen auch körperlich sein können, daß der Prüfstein einer der Gegenwart angemessenen Ethik die Degradierung menschlicher Körper zu »Abfall« und »Rohstoff« sein müßte, kommt einer Philosophie nicht in den Sinn, die den menschlichen Körper nur als Fläche diskursiver »Einschreibungen« und als Objekt subversiver ästhetischer Inszenierungen kennt.

Der gesamte Text von Magnus Klaue findet sich hier.

(PS: Ganz nebenbei wird der Begriff „Anrufung“ nach Louis Althusser in der Rezension endlich einmal richtig verwendet – und nicht so falsch (und oberflächlich) wie in so einigen aktuellen Arbeiten! – Also auch deshalb lesen!)

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